Besuch im Bundestag EZB-Chef Draghi in der Höhle der Löwen

Berlin · Die Notenbank werde am Nullzins festhalten, bis die Euro-Inflation wieder in die Nähe von zwei Prozent gestiegen sei - das sagte Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank, im Bundestag. Dort stieß er nicht nur auf Zustimmung.

Das ist Mario Draghi
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Foto: dpa, bjw

Es war Mario Draghi hinterher anzusehen, dass dieser Besuch im Bundestag für ihn kein leichter gewesen ist. Blass und anfangs etwas stockend berichtete der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) am Mittwochabend von seinen Gesprächen mit etwa 100 Abgeordneten des Europa-, Finanz- und Haushaltsausschusses.

Diskussionen mit Andersdenkenden seien wichtig, weil sie ihn und die EZB-Führung veranlassten noch mehr nachzudenken über den Kurs der Geldpolitik, "obwohl wir ihn natürlich nicht ändern werden", so Draghi.

Staatsanleihekäufe der EZB ein "verstecktes Rettungspaket"?

Die EZB wird vor allem in Deutschland immer stärker kritisiert. Die anhaltende Nullzinspolitik, so der Vorwurf auch aus den Reihen des Bundestags, bringe Lebensversicherer und Banken in Schwierigkeiten. Die Sparer könnten schlechter fürs Alter vorsorgen. Die Staatsanleihekäufe der EZB wirkten wie ein weiteres "verstecktes Rettungspaket" für andere Euro-Staaten, sagte etwa Gunther Krichbaum (CDU), der Vorsitzende des Europaausschusses in seiner kleiner Ansprache nach der Diskussion mit Draghi. Dem hatte der Bundestag aber nicht zugestimmt.

Der EZB-Präsident konterte diese Kritik im Ausschuss und danach, indem er aufzeigte, dass sich die wirtschaftliche Entwicklung der Euro-Zone im Vergleich zu vor vier Jahren, als die europäische Finanzkrise ihren Höhepunkt erreicht hatte, verbessert habe. Das Wachstum sei wieder angezogen, auch die Inflationsrate sei gestiegen.

Der Zinssatz müsste aber so lange bei Null verharren, bis die EZB ihr Ziel erreicht habe, die Inflationsrate im Euro-Raum wieder in die Nähe von zwei Prozent zu bringen. "Unsere Maßnahmen greifen: Sie tragen dazu bei, dass sich die Erholung fortsetzt und Arbeitsplätze entstehen; sie sorgen also für einen Aufschwung, von dem letztlich auch die Sparer und Rentner in Deutschland und im Euroraum insgesamt profitierten", sagte Draghi laut Redemanuskript im Europaausschuss.

Er nehme die Sorgen der deutschen Bevölkerung ernst, sagte der 69-jährige Italiener, dem manche in Deutschland unterstellen, er sei von französischen und italienischen Interessen geleitet. Er sei damit nicht unabhängig, wie es die Statuten der EZB vorsehen, heißt es.

Unterm Strich, so Draghi, gehe es den Sparern, Rentnern und Arbeitnehmern im gesamten Euro-Raum dank der lockeren Geldpolitik heute besser, "und zwar jetzt und auch in Zukunft".

Draghi: "Euro-Länder müssen endlich Strukturreformen einleiten"

Draghi gab zu bedenken, dass ein niedriger Zins bei geringer Inflation eine bessere Rendite abwerfen könne als ein hoher Zins bei hoher Inflation. Für den Wiederanstieg langfristiger Zinsen sei es unbedingt notwendig, dass Unternehmen und Euro-Staaten wie Deutschland, die dafür den finanziellen Spielraum hätten, mehr investierten. Zudem müssten die Euro-Länder endlich Strukturreformen einleiten, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.

Der EZB-Chef wies jede Verantwortung der Notenbank für die aktuellen Probleme großer Banken wie der Deutschen Bank zurück. Es gebe Institute, die seien gut gerüstet für die aktuelle Situation, und andere, die es nicht seien. Die Probleme seien eine Frage der Geschäftsmodelle der Banken oder ihres Risikomanagements. Eine systemische Bedrohung für das Euro-Bankensystem befürchtete Draghi aktuell nicht. "Wenn aber eine Bank eine systemische Bedrohung für das Bankensystem wäre, kann das nicht mit den Niedrigzinsen zu tun haben", betonte er.

Der CDU-Politiker Krichbaum berichtete, dass die nicht öffentliche Aussprache im Ausschuss durchaus kontrovers verlaufen sei. Lang laufende Sparprozesse seien nicht mehr lukrativ, Volksbanken und Sparkassen gerieten ins Trudeln, beklagte er. Die Niedrigzinspolitik dürfe "kein Dauerzustand" bleiben. Um das zu unterstreichen, zitierte Krichbaum einen Shakespeare-Spruch, den Draghi selbst zuvor im Ausschuss vorgetragen habe: "Erst habe ich meine Zeit verschwendet, dann hat mich die Zeit verschwendet."

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