Düsseldorf Berlin macht Druck auf Atomkonzerne

Düsseldorf · Gutachter halten die Rückstellungen für den Atomausstieg für zu gering - letztlich müsste der Steuerzahler haften.

Die vier Betreiber von Atomkraftwerken in Deutschland haben bislang rund 36 Milliarden Euro für den Rückbau und die Verschrottung der Meiler zurückgestellt. Die Bundesregierung zweifelt nun daran, dass das reicht. Zwei bisher unveröffentlichte Gutachten im Auftrag des Bundesumweltministeriums kommen zu dem Schluss, dass die Rückstellungen nicht ausreichen, wie der "Spiegel" berichtet. Der Bund bekomme von den Konzernen zudem nicht genug Informationen, um beurteilen zu können, ob die Gelder für die Rückstellungen sicher angelegt seien, heißt es im Gutachten der Kölner Gesellschaft für Reaktorsicherheit. In einem früheren Gutachten des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft etwa hatte es geheißen, dass bis zu 67 Milliarden Euro an Rückstellungen nötig seien.

Die Konzerne haben bislang stets betont, genug Geld zurückgelegt zu haben, und verweisen auf Testate der Wirtschaftsprüfer. Allein die beiden größten Konzerne Eon und RWE legten zusammen fast 25 Milliarden Euro zurück. Das Problem: Die Rückstellungen haben die Konzerne nicht bar im Tresor liegen, sondern in Netzen, Kraftwerken und anderen Vermögensgegenständen gebunden. In dem Maße, in dem aber die Kraftwerke wertloser werden, weil etwa der Großhandelspreis für Strom sinkt, müssen die Rückstellungen neu dotiert werden. Das gilt vor allem für RWE mit seinen vielen Braunkohlekraftwerken und der relativ hohen Abhängigkeit vom deutschen Stromgeschäft.

Die Debatte gewinnt derzeit auch an Brisanz, weil Eon 2016 seine Atomkraftwerke zusammen mit Kohle- und Gaskraftwerken und dem Auslandsgeschäft in eine neue Gesellschaft auslagern will, die vom Stammkonzern abgespalten wird. Die Politik sorgt sich seitdem, ob es ausreicht, dass Eon der neuen Gesellschaft die bisher gebildeten Rückstellungen mitgibt, und wie die neue Gesellschaft den Aufbau weiterer Rückstellungen stemmen will.

Grünen- und CSU-Politiker, aber auch Michael Müller, Vorsitzender der Atom-Endlager-Kommission, fordern daher, die Rückstellungen in die öffentliche Hand zu geben. Damit sollen sie für den Fall gesichert werden, dass einer der Stromkonzerne insolvent geht. Denn auch das haben die Gutachten ergeben: Im Falle des Falles hat der Bund kein Vorgriffsrecht. Das heißt, bei einer Pleite müsste ein Insolvenzverwalter zuerst Ansprüche der Arbeitnehmer und Sozialkassen bedienen und erst später die des Bundes. Dann würde am Ende der Steuerzahler auf den Kosten des Rückbaus und der Verschrottung sitzen bleiben, obwohl die Konzerne jahrzehntelange mit dem Atomstrom hohe Gewinne gemacht haben.

(RP)
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