Hannover Bereit zur Kernspaltung

Hannover · Heute bringt Siemens seine Tochter Healthineers an die Börse. Es könnte der Auftakt einer Aufspaltungswelle sein.

Als 2015 aus Google Alphabet wurde, ging es ausgerechnet bei dem Konzern, der das Wissen der Welt ordnet, darum, für mehr Ordnung zu sorgen. Denn im Google-Universum hatten sich neben der Suchmaschine so viele Projekte angesammelt - vom selbstfahrenden Auto bis hin zur Datenbrille Google Glass -, dass es so manchem Investor schwerfiel, in diesem Chaos die Risiken richtig einzuschätzen.

Knapp drei Jahre sind seitdem vergangen - und liest man Meldungen der vergangenen Wochen, könnte man meinen, der Trend zur Umstrukturierung sei auch in der deutschen Industrie angekommen.

Heute bringt Siemens seine Gesundheitssparte Healthineers an die Börse. Auch in der Autoindustrie, bei Daimler, Volkswagen, Fiat oder Continental, denkt man über eine Neuordnung des Geschäfts nach. Wohin man auch blickt: Überall hört man von Plänen über Aufspaltungen und Neugliederungen - um so zu werden wie Alphabet?

"Die Marktkapitalisierung hätten wir natürlich auch gerne", sagt Wolfgang Schäfer und lacht. Er ist Finanzvorstand beim Hannoveraner Technologiekonzern Continental, der an der Börse rund 44 Milliarden Euro wert ist - Alphabet kommt auf umgerechnet 600 Milliarden. Doch dass man bei Conti momentan verschiedene Modelle durchspielt, wie man die Firmenstruktur verändern könnte, habe dann doch eher wenig mit dem US-Konzern zu tun.

Denn natürlich sieht man in den Konzernen die globalen Trends: Angetrieben von niedrigen Zinssätzen strömte in den vergangenen Jahren immer mehr Kapital an die Börsen. Das machten sich Start-ups zunutze, die trotz roter Zahlen den Börsengang wagten und zu Milliarden-Unternehmen wurden. Und auch in der klassischen Industrie wurde man aktiv: Der Pharmakonzern Bayer brachte vor drei Jahren sein Kunststoffgeschäft als Covestro an die Börse. Seitdem stieg der Firmenwert so rasant, dass die Abspaltung in Kürze in den deutschen Leitindex Dax einziehen wird.

"Die Geschäftsmodelle von Spin-offs sind oft schlank und einfach verständlich", sagt Michael Muders, Portfoliomanager bei der Fondsgesellschaft Union Investment: "Die Börsenstory lässt sich also gut erzählen." Oft sei es auch so, dass der Wert von großen Konzernen am Markt nicht der Summe ihrer Teile entspricht. Die einzelnen Sparten seien unterbewertet.

Und so hat sich in den vergangenen Monaten so mancher Top-Manager gefragt, ob auch das eigene Unternehmen möglicherweise von einer Aufspaltung profitieren könnte. In der Autoindustrie könnten beispielsweise Zukunftsgeschäfte wie das autonome Fahren Investoren begeistern, während möglicherweise gleichzeitig die Diesel-Diskussionen den Kurs belasten.

"Im Automobilsektor beobachten wir zwei parallele Entwicklungen: Zum einen steht die Branche vielen Herausforderungen gegenüber. Um die zu meistern, kann eine flexible Struktur ein Vorteil sein", sagt Muders: "Und zum anderen sind viele Konzerne seit Jahren deutlich gewachsen und dementsprechend schwer zu managen." Da läge es auf der Hand, eine Gesellschaft aufzuteilen und auf die jeweiligen Kernkompetenzen zu reduzieren.

Diese Aspekte betonte man zuletzt auch bei Conti. Immerhin ist der Konzern in den vergangenen Jahren rasant gewachsen und soll das auch künftig tun. Überstürzen will man trotz der guten Lage am Aktienmarkt allerdings nichts. Erst Mitte des Jahres soll ein Plan vorliegen. Denn ein solcher Schritt will wohl überlegt sein - immerhin muss er nicht nur Investoren, sondern auch den Mitarbeitern schmackhaft gemacht werden. Bei Daimler erkaufte sich der Vorstand die Zustimmung mit einer zwölfjährigen Beschäftigungsgarantie.

Und mit Sicherheit wird man in den Chefetagen auch genau hinschauen, wie sich der Siemens-Ableger ab heute an der Börse schlägt. Immerhin gab es bereits im Vorfeld einen ersten Dämpfer: die Aktien werden heute zu je 28 Euro zugeteilt - in der unteren Hälfte der bis 31 Euro reichenden Preisspanne.

(frin)
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