Leverkusen Bayers umstrittenes Objekt der Begierde

Leverkusen · Nach vielen Skandalen hat sich der Konzern zu einem Vorbild der Chemie entwickelt. Auch darum stößt der denkbare Zukauf der US-Firma Monsanto auf Skepsis. Dabei mischt Bayer bei der Gentechnik außerhalb Europas selbst mit.

Der Chemie- und Pharmakonzern Bayer hat schon schlimme Rückschläge hinter sich: Als eines der "übelsten Unternehmen des Jahres" prangerte US-Verbraucherschützer Ralph Nader vor 15 Jahren die Leverkusener an. Damals gab es Streit um Patentschutz für ein Antibiotikum. Mit Kritikern ging der Konzern rüde um. Am schlimmsten wirkte der Skandal um den Blutverdünner Lipobay, der den Konzern wegen drohender Schadensersatzklagen in Höhe von zig Milliarden Euro an den Rand des Unterganges brachte.

Heute sieht die Lage anders aus. Auch darum erstaunt umso mehr, dass Bayer anscheinend Interesse hat, für möglicherweise 40 Milliarden Dollar den umstrittenen US-Wettbewerber Monsanto zu schlucken. Die Leverkusener stehen mit einem Börsenwert von 78 Milliarden Euro besser da als jedes andere Unternehmen Deutschlands außer SAP. Im Kerngebiet Life-Sciences geht es um das forschungsintensive Geschäft mit Pharma, Tiergesundheit, verschreibungsfreien Medikamenten sowie Crop Science (Saatgut und Pflanzenschutz). Und die Zeit der großen Skandale ist weitgehend vorbei.

Mit einem Kauf von Monsanto würde Bayer sich neuen Streit ins Haus holen. Als Hersteller von "Frankenfood" wird der Konzern in Anlehnung an den künstlichen Menschen im Roman Frankenstein gebrandmarkt - denn kein Unternehmen setzt so stark auf gentechnisch verändertes Saatgut wie Monsanto als Weltmarktführer bei Saatgut. "Stop Monsanto" skandieren Demonstranten in New York, wenn sie gegen Gentechnik in Pflanzen demonstrierten. Katastrophal wirkt, dass Monsanto Hersteller des dann verbotenen Insektizids DDT war. "Angesichts dieser Vorgeschichte muss Bayer vorsichtig sein", sagt der SPD-Landtagsabgeordnete Guido van den Berg, der seine Partei in der Enquetekommission zur chemischen Industrie in NRW vertrat, "also müssten die dem US-Partner klar sagen, dass er sich an unsere hohen Standards halten muss."

Tatsächlich sieht die Realität differenzierter aus. Bayer verkauft zwar in Europa gemäß geltenden Regeln kein gentechnisch manipuliertes Saatgut, doch in den USA verhält sich der Vorzeigekonzern nach eigenen Angaben praktisch genauso wie der mögliche Zukauf. Bayer verkauft beispielsweise in den USA und anderen Ländern gentechnisch verändertes Saatgut für Mais und Raps, während Monsanto zusätzlich auch noch gentechnisch verändertes Saatgut für Soja und Mais anbietet.

Obwohl Bayer und Monsanto sich also mehr ähneln als bekannt, gibt es doch Unterschiede: Monsanto betreibt massive Lobbyarbeit für Gentechnik und setzte dafür auch den früheren US-Präsidenten George Bush ein - Bayer wirbt nur vorsichtig für die umstrittene Technik. Monsanto ist mit dem Umsatz von umgerechnet 12,3 Milliarden Euro beim Geschäft mit Landwirten praktisch überall vertreten - die Bayer-Sparte CropScience spielt mit dem Jahresumsatz von 10,4 Milliarden Euro eine kleinere Rolle.

Gegenwind für einen Ausbau der Gentechnik hätte ein fusionierter Konzern sicher zu befürchten. In der ganzen EU ist mit der Maislinie MON810 nur eine gentechnisch veränderte Pflanze zum kommerziellen Anbau erlaubt, der aber in Deutschland verboten wurde.

In der EU ist vorgeschrieben, dass bei Lebensmitteln erkennbar sein muss, ob gentechnisch veränderte Organismen (GVO enthalten sind. Wie der Handel damit umgeht, erklärt stellvertretend Edeka auf Anfrage: "Edeka handelt keine gentechnisch veränderten Lebensmittel und wird diese auch in absehbarer Zukunft nicht in seinem Sortiment führen. Dies entspricht dem Wunsch einer großen Mehrheit der Verbraucher in Deutschland."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort