ZEW-Chef Achim Wambach im Interview "Bayer-Kartellprüfung dürfte viele Monate dauern"

Düsseldorf · Achim Wambach, Chef der Monopolkommission und Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), erwartet Auflagen beim Chemie-Deal und kritisiert den Wirtschaftsminister wegen Tengelmann.

 Der deutsche Ökonom Achim Wambach.

Der deutsche Ökonom Achim Wambach.

Foto: Uwe Anspach

Durch die Wirtschaft rollt eine Fusionswelle. Wächst damit die Gefahr von Monopolen?

Achim Wambach Grundsätzlich besteht diese Gefahr, aber wir haben mit den Wettbewerbsbehörden die richtigen Institutionen, um Monopole zu verhindern.

Bayer übernimmt Monsanto. Entsteht damit ein Kartell auf dem Saatgut-Markt, wie Bauern fürchten?

Wambach Die Behörden werden genau prüfen, ob die Fusion eine marktverschließende Wirkung hat. Da viele Länder und viele Produkte wie Reis-, Mais- und Soja-Saatgut betroffen sind, dürfte dies viele Monate dauern. Es ist gut möglich, dass die Fusion nur unter Auflagen genehmigt wird und Bayer/Monsanto Beteiligungen verkaufen müssen.

Zuvor muss die EU -Kommission noch über die Fusion der Chemiekonzerne Dow und Dupont entscheiden. Hat das Einfluss auf die Bewertung von Bayer/Monsanto?

Wambach Durch die Fusion von Dow und Dupont verschieben sich die Gewichte auf dem globalen Chemiemarkt, das werden die Kartellbehörden sicher berücksichtigen. Das muss aber nicht zwingend heißen, dass die Genehmigungs-Chancen für Bayer und Monsanto schwinden.

Sie fordern, nicht nur auf die Produktmärkte, sondern auch auf die Eigentümer zu schauen.

Wambach Bislang stellt das Kartellrecht nur auf die Produktmärkte ab. Doch inzwischen sind institutionelle Investoren zu einer Macht herangewachsen. 60 Prozent des Dax-Vermögens sind in ihrem Besitz. Die Monopolkommission rät, dass Kartellbehörden auch auf die Eigentümer schauen. Zwei Unternehmen, die dieselben Eigentümer haben, könnten zu deren Schutz auf Wettbewerb verzichten — das wäre zum Nachteil der Verbraucher.

Was heißt das für Bayer und Monsanto?

Wambach Der US-Investor Blackrock ist an beiden Unternehmen zu sechs bis sieben Prozent beteiligt. Hier schließen sich also zwei Unternehmen zusammen, die zu Teilen dem gleichen Eigentümer gehören. Außerdem halten Blackrock und andere institutionelle Anleger gleichzeitig an allen anderen großen Konkurrenten dieser beiden Unternehmen Anteile. Das sollten die Behörden beachten.

Die Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka ist der andere große Kartellstreit. Gabriel hat sie per Ministererlaubnis gestattet. Was stört Sie daran?

Wambach Durch die Fusion schwindet der Wettbewerb im Handel. Der Bundeswirtschaftsminister betont aber, dass durch die Fusion Arbeitsplätze bei Kaiser´s erhalten blieben, was dem Gemeinwohl diene und höher zu bewerten sei. Das sehen wir anders: Das wirtschaftspolitische Ziel ist Vollbeschäftigung und der Erhalt von Arbeitsplätzen insgesamt, also insbesondere auch bei Wettbewerbern der zusammenschlussbeteiligten Unternehmen. Es geht nicht um den Erhalt von Arbeitsplätzen in einem bestimmten Unternehmen.

Die Handelsunternehmen setzen sich nun an einen Tisch - ohne das Kartellamt. Ist das sinnvoll?

Wambach Das Kartellamt hat bei dieser Runde nichts zu suchen, es ist ja kein Mitspieler. Aber es wird nach einer eventuellen Einigung der Unternehmen die jeweiligen Übernahmepläne prüfen.

Sollte man die Ministererlaubnis abschaffen?

Wambach Nein, sie ist ein gutes Instrument, das meist mit Bedacht eingesetzt wurde. In Großbritannien etwa kann der Minister jederzeit in Wettbewerbsverfahren eingreifen. Bisher haben Unternehmen 22 Mal eine Ministererlaubnis beantragt, in acht Fällen wurde sie erteilt — dabei fünf Mal gegen den Rat der Monopolkommission. Bekannt sind die Fälle Eon/Ruhrgas sowie Edeka/Kaiser's.

Wann ist eine Ministererlaubnis sinnvoll?

Wambach In einzelnen Fällen gibt es Gemeinwohlgründe, die man nicht beachten würde, würde man eine Fusion allein unter kartellrechtlichen Aspekten beurteilen. So wurde zu Recht die Fusion der Uniklinik Greifswald mit dem Kreiskrankenhaus Wolgast per Ministererlaubnis gestattet. Nur so konnte die universitäre Forschung aufrechterhalten werden.

Mit der Digitalisierung stellen sich neue Fragen. Was ändert das im Kartellrecht?

Wambach Bisher hing die Frage, ob eine Fusion genehmigungspflichtig ist, vom Umsatz ab. Ab 500 Millionen Euro muss das Kartellamt prüfen. Viele Digitalfirmen machen kaum Umsatz, haben aber einen hohen Marktwert. So wie Whatsapp. Wir fordern: Das Kartellamt soll auch prüfen, wenn Unternehmen einen bestimmten Marktwert erreichen. So steht es im Entwurf zum neuen Wettbewerbsgesetz, das gerade in der parlamentarischen Beratung ist.

Was halten die digitalen Unternehmen davon?

Wambach Manche Unternehmen fürchten, dass sie schwerer einen Käufer finden, wenn der Kauf vorher beim Kartellamt angemeldet werden muss. Der Fall Facebook/Whatsapp zeigt aber, dass das nicht sein muss. Die Unternehmen hatten von sich aus eine Klärung bei der EU-Kommission beantragt — und die gab grünes Licht.

(anh)
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