Volkswagen Aufstand in der Autostadt

Wolfsburg · Zehntausende VW-Mitarbeiter protestierten gestern für mehr Lohn. "Die Manager sind versorgt, jetzt sind wir dran", hieß es auf Transparenten. Die Manager sind aus Sicht des Aufsichtsrates unschuldig am Abgasskandal.

Das Erste, was in Wolfsburg auffällt, sind die Autos: An den Ampeln halten Polo und Beetle, Amarok und Golf. An den Straßenrändern parken Passat und Tiguan, hin und wieder sogar ein Touareg. Es gibt kaum jemanden, so scheint es, der in Wolfsburg keinen VW fährt. Wolfsburg ist VW, so war es bisher, so ist es immer noch.

Und doch ist mit Bekanntwerden des Abgasskandals ein Riss durch die Stadt, durch das Unternehmen gegangen. Gestern zogen Tausende VW-Mitarbeiter vor die Unternehmenszentrale. Vordergründig geht es um fünf Prozent mehr Lohn, in Wahrheit geht es aber viel mehr um ein Gefühl von Gerechtigkeit. "Die Manager sind versorgt, jetzt sind wir dran", steht auf einem Plakat, auf dem ein janusköpfiger Manager zu sehen ist. "Wir haben es uns verdient", sagt er grinsend zu seinen Manager-Kollegen, während er Richtung Belegschaft mit Bedauern davon spricht, dass es nur sehr wenig zu verteilen gebe.

Es ist nur ein Plakat, aber es bringt die Stimmung auf den Punkt. Dass die Vorstände trotz der Krise auf einen Großteil ihrer Millionen-Boni bestanden haben, hat Spuren hinterlassen. "Wir haben als Belegschaft immer klar gesagt: entweder Boni für keinen, oder Boni für alle", polterte der mächtige Betriebsratschef Bernd Osterloh bei einer Kundgebung der nicht minder mächtigen IG Metall vor dem VW-Hauptsitz.

Osterloh ist Mitglied im Aufsichtsrat, er hat die Prämien mit durchgewunken, im Gegenzug jedoch auf eine Erfolgsbeteiligung der Mitarbeiter bestanden. Diese habe VW-Chef Matthias Müller auch zugesagt, nur die Höhe ist noch offen. "Bei ihm weiß ich, der steht zu seinem Wort", sagte Osterloh. Andere Vorstände forderten aber Zugeständnisse von der Belegschaft für die Zahlung einer Prämie.

Unterstützung bekamen die VW-Arbeiter auch aus Berlin. Dort sagte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD): "Es kann doch nicht sein, dass für die Management-Fehler, für die Betrügereien, die in den USA gemacht worden sind, jetzt die Arbeitnehmer bluten sollen." Gleichzeitig kritisierte er die Boni der Vorstände. Jeder in Deutschland müsse es als empörend empfinden, wenn ein Management, das eine der tiefsten Krisen bei VW mitverursacht habe, sich millionenschwere Boni leiste, so Gabriel.

Vorstand und Aufsichtsrat arbeiten unterdessen unbeirrt weiter an der Aufarbeitung des Abgasskandals. Weil eine Mitschuld beziehungsweise Pflichtverletzungen des Vorstands an den Manipulationen offenbar bislang nicht nachzuweisen sind, schlägt der Aufsichtsrat der Hauptversammlung des Konzerns daher auch vor, diesem die Entlastung zu erteilen. Die Entscheidung ist umstritten, weil viele Top-Manager seit vielen Jahren im Amt sind. Der Finanzvorstand und Vertraute von Ex-Chef Martin Winterkorn, Hans Dieter Pötsch, ist nun sogar Aufsichtsratschef, obwohl umstritten ist, ob er in seiner alten Funktion die Finanzwelt rechtzeitig über den Skandal informierte.

Eine andere Baustelle haben die VW-Aufseher unterdessen geschlossen. Um die gesetzliche Frauenquote von 30 Prozent zu erfüllen, brauchten die Aufseher eine weitere Frau in ihren Reihen. Sie wird nun vom Großaktionär Katar entsandt.

(frin)
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