Berlin Auf Intensivstationen fehlen immer mehr Pfleger

Berlin · Nur auf den ersten Blick scheint auf den Intensivstationen der deutschen Krankenhäuser personell alles in Ordnung zu sein. 2,2 Patienten im Schnitt je Schicht und Pflegekraft. Das erreicht fast die Expertenempfehlung von 2,0. Doch hinter diesen zehn Prozent, die bis zur Zielgröße schon im Durchschnitt fehlen, lauern Engpässe in einem der sensibelsten Bereiche des Gesundheitssystems. Händeringend suche mehr als die Hälfte der Kliniken geschultes Pflegepersonal: In 3150 Fällen vergeblich.

Über alle Fachbereiche hinweg könnten 10.000 Stellen nicht besetzt werden, erläuterte die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) unter Berufung auf eine Umfrage unter 314 Kliniken. Danach hat sich die Personallücke trotz wachsender Einstellungen verdreifacht: Vor sechs Jahren blieben lediglich 1200 Stellen unbesetzt. Nun soll ein neues "Aktionsbündnis" den Pflegenotstand verhindern.

Die Politik hat am unteren Ende der Verdienstkette mit der Erhöhung des Pflegemindestlohnes von 9,75 auf 10,20 Euro nachgebessert. Doch für die Krankenhäuser ist das kein Thema. Sie zahlen ohnehin deutlich höhere Tarife. 5421 Euro seien hier in der höchsten Stufe zu holen, zuzüglich Zuschlägen und Überstunden. Auch in den aktuellen Abschlüssen seien zusätzlich zu den 2,4 Prozent Lohnplus noch einmal genau so viel an zusätzlichen Heraufstufungen hinzugekommen, - ohne Gegenfinanzierung durch die Kassen, erklärte DKG-Präsident Thomas Reumann.

Nach seinen Berechnungen gehen schon zehn Prozent eines Ausbildungsjahrganges in Pflegeberufe, wenn sie nicht studieren. Doch auch das sei kein Anlass zur Entwarnung: "Wir brauchen deutlich mehr", betonte der Verbandschef. 44 Prozent der Pflegekräfte auf deutschen Intensivstationen haben eine spezialisierte Zusatzausbildung. Umso mehr fällt ins Gewicht, dass nach den DKG-Zahlen drei Stunden für Bürokratie draufgehen.

In der Studie finden sich die Vertreter der Betroffenen ohnehin nicht wieder. Viele Beschäftigte zeichneten ein völlig anderes Bild von ihrem Arbeitsalltag, erklärte der Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK). "An der Fluktuation und einer Vielzahl unbesetzter Pflegestellen lässt sich inzwischen ablesen, dass Pflegefachpersonen nicht länger bereit sind, sich unter Wert zu verkaufen und miserable Bedingungen hinzunehmen", erläuterte Johanna Knüppel vom DBfK. Es sei ignoriert worden, dass Patienten nicht nur Ärzte und Technik, sondern kompetente Pflege bräuchten. Die Pfleger setzen nun auf gesetzliche Personal-Untergrenzen für pflegeintensive Bereiche. Der Klinikverband fürchtet, dass sich damit der Fachkräftemangel nur erhöht. Die Pfleger wollen dagegen eine Ausweitung auf alle Betten-Bereiche, um die Belastung der Pfleger in den Griff zu bekommen.

(may-)
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