Berlin Athen darf Schulden später zurückzahlen

Berlin · Börsen und Euro gehen auf Talfahrt, weil die Geldgeber Griechenland einen Zahlungsaufschub bis Ende Juni gewähren. Schäuble hält einen Grexit für möglich, Merkel will das Land im Euro halten. Tsipras spielt erneut die russische Karte.

Die Börsen reagierten gestern alarmiert über die jüngste Volte im Schuldenstreit. Der Athener Leitindex brach um fünf Prozent ein. Die Zinsen, die Griechenland für zweijährige Staatsanleihen zahlen muss, schossen auf 25 Prozent hoch, der Euro fiel auf 1,09 Dollar. Am Tag zuvor hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) der griechischen Regierung einen Aufschub gewährt. Eigentlich hätte Griechenland gestern 300 Millionen überweisen müssen. Jetzt muss das Geld erst am Monatsende zusammen mit den anderen drei im Juni noch fälligen Tranchen im Volumen von insgesamt 1,6 Milliarden Euro gezahlt werden, sagte ein IWF-Sprecher. Die EU-Kommission erklärte, dies entspreche den Regeln des IWF.

In der CDU-Fraktion sorgte der Aufschub für Verärgerung. Fraktionsvize Michael Fuchs kritisierte: "Warum der IWF diese Milde an den Tag legt, erschließt sich mir nicht." Die Entscheidung sei nicht klug. "Mit welcher Begründung will man einem anderen Land einen solchen Zahlungsaufschub nun nicht gewähren?" Er glaube nicht, dass die Stundung den Griechen nutze. "Die Griechen haben bis heute nicht begriffen, wie ihre Lage ist."

Ein angebliches Zerwürfnis zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble über den Kurs der Bundesregierung wiesen Kanzleramt und Ministerium allerdings zurück. In Schäubles Umfeld wurde ein Bericht der "Bild"-Zeitung als "blanker Unsinn" bezeichnet. Von Seiten der Bundesregierung hieß es, dass Schäuble sehr wohl über das Spitzentreffen im Kanzleramt informiert gewesen sei. Am Montagabend waren IWF-Chefin Christine Lagarde und Mario Draghi, Präsident der Europäischen zentralbank (EZB), überraschend zu einer Runde mit dem französischen Präsidenten François Hollande und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gekommen.

Offensichtlich aber ist die unterschiedliche Akzentuierung von Merkel und Schäuble. Während der Finanzminister schon mehrfach öffentlich einen Austritt der Griechen in Betracht gezogen hat, finden sich von der Kanzlerin nur Äußerungen, in denen sie ihren Willen kundtut, die Griechen im Euro zu halten. "Sie möchte nicht als Kanzlerin des Abbaus der europäischen Idee gelten", sagte ein führender CDU-Mann. Während die Kanzlerin in der Griechen-Krise vor allem durch die politische Brille blickt, fordert Schäuble die Einhaltung der Regeln. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Kanzlerin für die Rettung der Griechen am Ende viel weiter gehen muss, als Schäuble dies für richtig hält. Dann stellt sich die Frage, ob der Finanzminister eine solche Entscheidung in der Fraktion mit Herzblut verteidigen wird, wie er es bisher getan hat. Schäubles Haltung gilt als entscheidend dafür, ob die Unionsfraktion einer weiteren Verlängerung der Kredite zustimmt.

Dass es beim Poker um Griechenland auch um Geopolitik geht, zeigte die Reaktion von Ministerpräsident Alexis Tsipras: Er nannte das neue, von den Geldgebern verlangte Sparprogramm im Parlament inakzeptabel und spielte die russische Karte: Er telefonierte mit Präsident Wladimir Putin wegen der Verlängerung der Pipeline Turkish Stream. Russland hat Athen Milliarden als Vorauszahlung in Aussicht gestellt.

Juncker und Eurogruppen-Chef Dijsselbloem hatten Tsipras eine Liste mit Maßnahmen vorgelegt, deren Umsetzung Basis für neue Hilfe ist. Darin verlangen die Geldgeber etwa Rentenkürzungen im Umfang von einem Prozent der Wirtschaftsleistung. Auch soll es Einschnitte bei Renten für Geringverdiener geben. Zugleich wächst die Unzufriedenheit in Tsipras' Partei Syriza. Rufe nach Neuwahlen wurden laut. Die schloss Finanzminister Gianis Varoufakis aus. Er forderte von Merkel aber eine "Hoffnungsrede" und verwies auf den Marshallplan der USA nach 1945. Damals hatte Außenministers James Byrnes eine "Speech of Hope" gehalten.

(RP)
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