Berlin Arbeitgeber eröffnen Debatte über Streichung des Acht-Stunden-Tages

Berlin · Der gesetzliche Acht-Stunden-Tag ist nach Auffassung der deutschen Arbeitgeber nicht mehr zeitgemäß, weil er nicht mehr zum Arbeiten im digitalen Zeitalter passe. Das Arbeitszeitgesetz solle daher von einer täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit umgestellt werden, forderte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer gestern in Berlin. "Mit der Umstellung auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit würde die Bundesregierung ihrem Anspruch gerecht werden, EU-Normen eins zu eins umzusetzen und einen effektiven Beitrag zum Bürokratieabbau zu leisten", sagte Kramer. Er bekräftigte damit, was unsere Zeitung zuvor berichtet hatte.

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Nach dem Arbeitszeitgesetz von 1994 sollen Arbeitnehmer täglich nicht mehr als acht Stunden arbeiten. Die Arbeit kann auf bis zu zehn Stunden ausgedehnt werden, wenn der Acht-Stunden-Tag im langfristigen Durchschnitt eingehalten wird. Durch die Digitalisierung haben sich die starren Zeitgrenzen in der praktischen täglichen Arbeit aber bereits aufgelöst: Oft erledigen Mitarbeiter Aufgaben von zuhause aus per E-Mail oder nehmen an Internet-Konferenzen teil. Zum Ausgleich unterbrechen viele ihren Arbeitstag, etwa, um Kinder nachmittags von der Kita abzuholen.

Die Arbeitgeber reagierten auf einen Diskussionsprozess, den Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) im April gestartet hatte. Mit Arbeitgebern und Gewerkschaften will sie über die Folgen der Digitalisierung am Arbeitsplatz diskutieren. Ende kommenden Jahres sollen die Ergebnisse in ein "Weißbuch" münden. Im Anschluss will Nahles entscheiden, ob und wie gesetzliche Änderungen auch am Arbeitszeitgesetz anstehen. Ein Sprecher ihres Ministeriums betonte aber, Nahles wolle am Acht-Stunden-Tag festhalten. "Änderungen sind an der Stelle nicht geplant." In internen Diskussionsrunden, an denen auch Arbeitgebervertreter teilgenommen hatten, hatte sich Nahles zuvor allerdings offen gezeigt, auch über ein neues Arbeitszeitgesetz zu reden.

Bundeswirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel wollte sich nicht eindeutig zum Acht-Stunden-Tag bekennen. "Das ist eine Debatte, die ich ausdrücklich begrüße", sagte er. Die Digitalisierung biete Chancen, die Wünsche der Arbeitnehmer stärker zu berücksichtigen und damit Arbeit und Leben besser in Einklang zu bringen. Der Vize-Kanzler sagte aber auch: "Die Prinzipien der analogen Welt rate ich in der digitalen nicht aufzugeben."

Die Gewerkschaften lehnten Änderungen am Arbeitszeitgesetz strikt ab. Der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Reiner Hoffmann, warf den Arbeitgebern vor, sie missbrauchten die Debatte über die Digitalisierung der Arbeitswelt für eine Rolle rückwärts bei den Arbeitszeiten.

(mar)
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