Pascal Finette "Amerikaner sind optimistischer"

Der Kölner war bei Ebay und Google. Seit 2009 mischt er im Silicon Valley mit.

Herr Finette, Sie hatten in Köln ein Start-Up gegründet und waren vor mehr als 15 Jahren gescheitert, jetzt unterstützen Sie bei der von Google geförderten Singularity University Firmengründer. Wo liegt der große Unterschied zwischen Deutschland und Silicon Valley?

Finette Die Amerikaner sind grundsätzlich viel optimistischer eingestellt. Das gibt Energie beim Vorstoß in neue Technologien. Auch selbst merke ich die Differenz.

Was heisst das?

Finette Als meine Firma in Deutschland am Ende war, bemitleideten mich fast alle Freunde. "Wie willst Du Dich von diesem Makel befreien", war die Sorge. Hier wird dagegen gesagt: "Wow, Du bist mit einer Firma schon mal untergegangen. Was hast Du aus der Pleite gelernt?" Also hat man mir nach einigen weiteren Firmengründungen und Stationen bei Gravis, Ebay, Mozilla und Google vor anderthalb Jahren das Gründerprogramm von Singularity übergeben. Mit 40 Firmen in einem dutzend Ländern geht es ganz gut voran.

Sie fördern nur Unternehmen, die die Menschheit mit exponentieller Technogie einen großen Schritt voranbringen könnten und nach Möglichkeit mindestens einer Milliarde Menschen nutzen können. Klingt ja fast größenwahnsinnig.

Finette Nein, ähnlich wie Google glauben wir daran, dass die Zeit der großen Erfindungen erst begonnen hat. Und da kommt es keineswegs vorrangig auf gute Ideen an, sondern auf das Umsetzen: Man muss die Dinge nur anpacken, dann wird etwas daraus. Just do it. Und natürlich wissen wir, dass viele der von uns unterstützten Start-Ups sogar scheitern werden - was völlig okay ist, da Scheitern halt zum kreativen Prozess gehört!

Wo erhoffen Sie Durchbrüche?

Finette Exponentielles Wachstum erwarten wir bei der weiteren Digitalisierung, bei dreidimensionalen Druckern, Medizintechnik, bei Biowissenschaften, selbstfahrenden Autos oder auch bei dem Einsatz von Robotern. Exponentiell bedeutet dabei: Das Wachstum beginnt fast unmerklich, steigt dann aber umso mehr an. Stell Dir vor, Du verdoppelst mit jedem Schritt die Zahl von Sandkörnern in Deiner Hand: Nach fünf Schritten sind es nur 64. Aber nach 25 bereits mehr als 36 Millionen. Und fünf Schritte weiter mehr als eine Milliarde.

Das ist mathematisch unbestreitbar.

Finette Ja, aber so setzen sich in der vernetzten, globalisierten Welt viele Technologien viel schneller als früher durch. In Kenia haben im Moment nur zehn Prozent der Bevölkerung ein Smartphone. In drei Jahren werden 90 Prozent ein Smartphone als Zugang ins Internet haben: Also werden da nur noch Banken eine Chance haben, die mobiles Online-Banking anbieten. Viele Länder springen vom vorindustriellen Stadium in die Zukunft.

Wie sehen Sie die Position der deutschen Wirtschaft?

Finette Die Konzerne haben häufig die Chancen der Digitalisierung oder auch von 3-D-Druck entdeckt - das macht Hoffnung. Aber um den Mittelstand mache ich mir große Sorgen: Die halten zu oft an traditionellem Denken fest. Die Amerikaner haben dagegen viel weniger Hemmungen, ein bestehendes Angebot durch eine eigene Innovation herauszufordern. Wenn ich schon kannibalisiert werde, dann mache ich das selber, lautet deren Einstellung.

R. KOWALEWSKY STELLTE DIE FRAGEN.

(RP)
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