Andreas Ehlert "Amazon ist keine Gefahr fürs Handwerk"

Der Handwerks-Präsident sieht seine Branche als Gewinner der Digitalisierung: Dachdecker nutzen Drohnen, iPads machen Lehrstellen interessanter. Das Handwerk will mehr Flüchtlinge einstellen, fordert aber Rechtssicherheit vom Staat.

Herr Ehlert, seit zwei Jahren sind Sie Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf, morgen treten Sie zur Wiederwahl an. Eine Ihrer Aufgaben wird es sein, das Handwerk für die Digitalisierung fit zu machen. Wie digital sind Sie eigentlich?

Ehlert Ich habe bei Facebook einen privaten und einen dienstlichen Account. Zudem bin ich bei Twitter aktiv. Meine Kinder sind natürlich flinker, aber soziale Medien gehören heute für Handwerker dazu. Ich habe auch schon mit dem Blogger Sascha Lobo über "Handwerk 4.0" diskutiert.

Und, macht die Digitalisierung das Handwerk überflüssig?

Ehlert Im Gegenteil, das Handwerk kann Gewinner der Digitalisierung sein. Konzerne sind oft groß und unflexibel, Handwerker arbeiten individuell und vor Ort. Mit Amazon und Google wächst die Plattform-Ökonomie, aber viele Dienstleistungen, die über Plattformen vermittelt werden, liefern wir. Amazon ist keine Gefahr für uns.

Zahnkronen gibt es bereits aus dem 3D-Drucker, wozu braucht man noch Zahntechniker?

Ehlert Dentallabore haben eine ungünstige Marktposition entfernt vom Endkunden, aber die Wirtschaftlichkeit digitaler Verfahren umso schneller entdeckt. Sie scannen heute, anstatt Abdrücke zu nehmen. Aber es stimmt: Manche Berufe werden auch zu den Verlierern gehören. Doch in Summe wird das Handwerk gewinnen. Wie viel mehr Sorgen müssen sich etwa Trucker machen? In 48 der 50 US-Staaten ist Lkw-Fahrer der häufigste Beruf. Wenn autonomes Fahren Standard wird, wird der Beruf verschwinden. Eine App wird aber nie Fliesen legen oder Brot backen.

Die Handwerker-Vermittlung My Hammer hat aber keinen guten Ruf, sie gilt als Billiganbieter.

Ehlert Das Thema Plattform birgt in der Tat Zündstoff. Bald wird es mehr Portale geben, in denen man nicht nur nach dem günstigsten, sondern nach dem besten Handwerker suchen kann. Wichtig ist, dass sich alle Vermittlungsdienste an die Spielregeln halten. Wer Taxifahrer oder Putzfrauen vermittelt, für die keine Sozialabgaben gezahlt werden, macht ehrbaren Kaufleuten unsaubere Konkurrenz. Zugleich schädigt er die Allgemeinheit, die für die soziale Absicherung aufkommen muss.

Was tut die Kammer, um Betrieben bei der Digitalisierung zu helfen?

Ehlert Wir bieten Betriebsberatung sowie Seminare zu Datensicherheit und sogar Drohnen-Führerscheine an, rechtlich komplexe Gebiete.

Drohnen-Führerscheine?

Ehlert Ja, hier tun sich immer mehr Einsatzgebiete auf. Viele Dachdecker nutzen bereits Drohnen, um Schäden am Dach zu begutachten. Das macht Reparaturen einfacher.

Digitalisierung macht Berufe anspruchsvoller. Wo kommt der Nachwuchs her? Schon jetzt fehlen Fachkräfte.

Ehlert Andersherum wird ein Schuh daraus. Schon jetzt hat jeder siebte Handwerks-Lehrling Abitur oder Fachabitur. Die Digitalisierung macht Handwerks-Berufe attraktiver, mit dem iPad als Werkzeug wird eine Baustelle doch gleich interessanter.

Was heißt das für die Gesellschaft? Wo sollen Unqualifizierte arbeiten?

Ehlert Das wird ein Problem, das die Gesellschaft lösen muss. Vor Jahren galt auf dem Bau die Regel: Ein Ungelernter kam auf zwei Fachkräfte, heute kommt einer auf acht Fachkräfte. Weil es immer weniger Tätigkeiten für Ungelernte gibt, müssen wir noch mehr auf schulische und berufliche Bildung setzen. Nur dann wird es uns auch gelingen, die Flüchtlinge zu integrieren.

Am Anfang hatte die Wirtschaft gehofft, die Flüchtlinge lösten ihr Fachkräfte-Problem. Nun ist Ernüchterung eingekehrt.

Ehlert Am Anfang war Hilfe für Flüchtlinge eine humanitäre Aufgabe, auch viele Handwerker haben sich engagiert. Bei der Frage, wie schnell wir die Flüchtlinge integrieren können, müssen wir realistisch bleiben: Jeder dritte Flüchtling über 18 Jahren hat laut einer IAB-Studie gar keine oder nur Grundschulbildung, geschweige denn eine Berufsausbildung.

Was kann das Handwerk tun?

Ehlert Das Handwerk war bei der Integration schon immer vorneweg. Italiener, Griechen, Türken - Handwerksbetriebe gehören seit den 60er Jahren zu den Arbeitgebern. Gegenwärtig haben etwa 30 Prozent der Auszubildenden im Kammerbezirk Düsseldorf einen Migrationshintergrund. Das Handwerk tut gerne mehr, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.

Was fordern Sie?

Ehlert Der Staat muss dafür sorgen, dass Flüchtlinge Deutsch lernen und beruflich vorqualifiziert werden. Zudem brauchen wir Rechtssicherheit: Betriebe bilden gerne Flüchtlinge aus, wenn diese mindestens zwei Jahre nach der Gesellenprüfung vor einer Rückführung geschützt sind. Das hat die Kanzlerin uns zugesagt, nun warten wir auf die Umsetzung.

Sollte man den Mindestlohn für Flüchtlinge senken?

Ehlert Nein, dann würden geringqualifizierte Deutsche, die den Mindestlohn bekommen, von Flüchtlingen verdrängt, die etwas weniger verdienen. Das wäre sozialer Sprengstoff.

ANTJE HÖNING FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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