Düsseldorf Aktionäre rebellieren gegen Volkswagen

Düsseldorf · Die Hauptversammlung wird turbulent: Erzürnte Aktionäre, klagende Anwälte - und die Frage, wie es mit dem Diesel weitergeht.

Matthias Müller will das Beste aus der Krise machen, das betont der VW-Chef immer wieder. "Sie wirkt wie ein Katalysator", hatte er unlängst bei der Vorstellung der neuen Strategie für 2025 gesagt: "Die Bereitschaft zu Veränderungen ist durch die Diesel-Thematik gewachsen."

Müller bezog diesen Satz auf Management-Strukturen, auf einen Wandel in der Firmenkultur - er gilt aber auch für die ganze Branche. Denn der Abgas-Skandal bei Volkswagen hat nicht nur den Konzern in eine tiefe Krise gestürzt, sondern auch die Branche. Der Diesel, der nirgendwo auf der Welt so beliebt ist wie in Europa, ist in Verruf geraten; spätestens nachdem Tests des Kraftfahrtbundesamtes gezeigt hatten, dass kaum ein Hersteller mit seinen Motoren die vorgegebenen Grenzwerte wirklich einhalten konnte. Das Ende des Selbstzünders, so scheint es, rückt jedenfalls immer näher. "Die Verbrennungsmotoren werden immer teurer werden in den kommenden Jahren, die Elektromotoren immer günstiger", hatte Müller bei der Vorstellung der Strategie gesagt: "Irgendwann trifft sich das."

Noch klammert sich die Branche an den Diesel, allein Daimler hatte in den vergangenen Jahren rund drei Milliarden Euro in die Technologie investiert. "Heute würde so eine Entscheidung wohl kein Hersteller mehr treffen", sagt ein Branchenkenner. Sprecher von Daimler und dem Automobilzulieferer Bosch betonten hingegen, der Dieselantrieb sei bereits wesentlich verbessert worden und habe noch Optimierungspotenzial.

Beim Verkehrsclub Deutschland ist man hingegen skeptisch: "Die Zukunft des Dieselantriebs ist begrenzt", sagte eine Sprecherin. Man werde sehr schnell erleben, dass der Diesel bis zur Kompaktklasse vom Markt verschwindet. Einfacher Grund: Die Abgasreinigung wird immer teurer, je schärfer die Grenzwerte auf europäischer Ebene werden. Irgendwann rechnen sich die Kosten für die kleinen Fahrzeuge nicht mehr. So ähnlich wie der Verkehrsclub sieht das auch Müller.

Für die Branche ist der Diesel momentan jedoch überlebenswichtig. Denn ab 2020 gelten in der EU striktere Abgaswerte, ab dann darf der Flottenverbrauch nur noch bei 95 Gramm pro Kilometer liegen. Ohne den Diesel, das ist in der Branche kein Geheimnis, werden die deutschen Hersteller diese Grenzwerte kaum erreichen können, weil sie zu spät und zu zögerlich auf alternative Antriebe wie Elektro oder Hybrid gesetzt haben.

Trotzdem hat der Diesel noch viele Unterstützer. Einer von ihnen ist der Automobil-Club ADAC. "Obwohl der Diesel aktuell durch die Affären bei den Auto-Herstellern in die Diskussion gekommen ist, sehen wir für diese Technologie eine Zukunft", sagt ein Sprecher. Die technischen Möglichkeiten, um den Diesel auch bei Stickoxiden sauber zu bekommen, seien schließlich bereits heute vorhanden. Auch Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) lehnt bislang eine Abschaffung der Diesel-Begünstigung (ein Liter Diesel wird mit etwa 18 Cent weniger besteuert als ein Liter Benzin) kategorisch ab. "In Amerika stirbt der Diesel womöglich aus. In Europa genießt er nach wie vor hohe Akzeptanz. Zu Recht", betonte Dobrindt unlängst.

Müller hat mit seinen Aussagen jedoch eine Grundsatzdiskussion entfacht, die wohl auch auf der heutigen Hauptversammlung des Konzerns Thema sein dürfte. Dort muss sich VW den Aktionären stellen - angenehm dürfte es nicht werden. Viele Anleger hatten den Konzern verklagt, gestern wurde bekannt, dass auch einer der größten US-Pensionsfonds VW wie angekündigt auf Schadensersatz verklagt. Die Anwaltskanzlei Quinn Emanuel teilte mit, im Namen des Pensionsfonds für Lehrer in Kalifornien und weiterer Investoren Klage beim Landgericht Braunschweig eingereicht zu haben. Weil die Staatsanwaltschaft Braunschweig zuletzt auch bekannt gegeben hatte, unter anderem gegen Ex-VW-Chef Martin Winterkorn zu ermitteln, ist auch unklar, ob die Entlastung des Vorstandes erfolgt.

(frin)
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