"Wegschweigen hilft nicht" Erstes Rennen nach dem Tod von Poisson

München/Lake Louise · Die Weltcup-Abfahrt am Samstag im kanadischen Lake Louise ist die erste der Olympia-Saison. Sie ist aber auch die erste nach dem Tod des Franzosen David Poisson.

Ski Alpin: Das Leben des Skifahrers David Poisson
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Das Leben des Skifahrers David Poisson

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Foto: afp, FF

Mathias Berthold hat viele Gespräche geführt in den vergangenen Tagen. Mit seinen Trainerkollegen, mit dem Renndirektor des Internationalen Ski-Verbandes FIS - und vor allem mit den deutschen Abfahrern, mit "unseren Jungs". Wenn ein Konkurrent tödlich verunglückt, hilft es nicht, dies wegzuschweigen, auch wenn es schmerzt. "Wir sind Konkurrenten, aber wir sind auch eine Familie. Es sind sehr schwierige Momente", sagt Berthold, Cheftrainer der deutschen Ski-Rennläufer.

Am Montag vergangener Woche ist der Franzose David Poisson, Dritter bei der WM 2013, bei einer Trainingsfahrt im kanadischen Nakiska ums Leben gekommen. Das Unglück geschah an einer Stelle, die zu den nicht als riskant eingestuften Passagen gehört. Poisson verlor aus noch ungeklärter Ursache einen Ski, rutschte dann unter dem Sicherheitsnetz, einem sogenannten B-Netz hindurch, und prallte gegen einen Baum. Ein Unfall, den keiner kommen sah.

Am Mittwoch nun begann das Training für die Weltcup-Abfahrt am Samstag im kanadischen Lake Louise. Der dortige "Men's Olympic Downhill" ist seit dem Jahr 2000 Schauplatz der ersten Schussfahrt eines Winters. Die Strecke gilt als mäßig herausfordernd (weshalb dort eine Woche später traditionell auch die Frauen fahren) - doch gerade deshalb gilt sie als prädestiniert für den ersten Härtetest. Ein normales Rennen. Aber was ist schon noch normal?

Die Deutschen haben ihr Bestes versucht, den tödlichen Sturz von Poisson aufzuarbeiten. "Wir haben uns sehr genau und detailliert informiert, alles durchgesprochen und dabei die Umstände aufgearbeitet", sagt Berthold. Er hat dabei Andreas Sander, Josef Ferstl oder Thomas Dreßen klar gemacht, dass er und sein Betreuerteam "unserer Verantwortung nachkommen werden". Das heißt im Ernstfall: Ich lasse Euch nicht starten!

Bei einem Weltcup-Rennen hat es seit 1994, seit dem Unfall von Ulrike Maier (Österreich) auf der "Kandahar" in Garmisch, keinen Todesfall mehr gegeben. Abfahrtsstrecken sind mittlerweile ein Hochsicherheitstrakt, flankiert von Schutzeinrichtungen, die von zum Teil gewaltigen sogenannten A-Netzen geprägt werden. Die 3,3 km lange "Streif" in Kitzbühel etwa wird flankiert von insgesamt 9,7 km langen Netzen, angebracht an 5500 Stangen und Masten.

Maximale Sicherheit wird es nie geben

Allerdings: maximale Sicherheit wird es nie geben. Nicht auf einer Strecke wie der "Streif", wo in den vergangenen Jahren Fahrer wie Daniel Albrecht (Schweiz, 2009) oder Johann Grugger (Österreich, 2011) nur knapp dem Tod entrannen. Auch nicht am Wochenende in Lake Louise, wo es immer noch genügend Stellen gibt, an denen ein Rennläufer stürzen und das Unvorhersehbare geschehen kann. Und erst recht nicht auf einer Trainingsstrecke wie in Nakiska.

Vor allem Übungspisten bergen Risiken, weiß der deutsche Alpindirektor Wolfgang Maier, der sich vergangene Woche nach dem Tod von Poisson hütete, eine Sicherheitsdebatte vom Zaun zu brechen. "Im Weltcup sind Hunderte Arbeiter über Wochen damit beschäftigt, eine Strecke abzusichern. Es ist völlig unrealistisch zu glauben, dass das für eine Trainingsstrecke wie in Nakiska möglich ist. Diese Perfektion können wir nicht leisten", sagt Maier.

Ein Mann wie Berthold behält es sich deshalb vor, seine "Jungs" nicht auf die Strecke zu lassen, wenn er ihre Gesundheit oder, ja, ihr Leben gefährdet glaubt. Beim Sturzrennen im Januar 2016 auf der "Streif" zog er Klaus Brandner zurück. Im Dezember 2016 tat er Gleiches mit Dominik Schwaiger in Val d'Isere. In Lake Louise besteht dafür wohl kein Anlass. "Wir denken an David, aber wir sind auch fokussiert auf die Rennen", sagt Berthold, "wir sind", betont er, "mental bereit".

(sid)
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