Nach Anzeige gegen Unbekannt Fall Pechstein: Neue Doping-Gerüchte

Berlin (RPO). Neue Doping-Gerüchte belasten den deutschen Eisschnelllauf schwer und haben auch den Heim-Weltcup in Erfurt überschattet. Ermittlungen des Bundeskriminalamtes (BKA) gegen die Läuferinnen Heike Hartmann und Bente Kraus sowie Spekulationen über weitere Verdächtige drängten die Siege von Jenny Wolf und Monique Angermüller in den Hintergrund.

Die Chronologie zum Fall Pechstein
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Foto: AP

Die Hausdurchsuchungen bei den wenig prominenten Athletinnen Hartmann (Inzell) und Kraus (Berlin) sind offenbar nur die Spitze des Eisbergs. Ein BKA-Ermittler bestätigte der Süddeutschen Zeitung, dass sich unter den Athleten, die im Zuge der Ermittlungen im Fall Claudia Pechstein ins Visier geraten seien, "auch Olympia-Teilnehmer" befänden. Hartmann, die in Erfurt trotz allem an den Start ging, und Kraus gehörten nicht zum deutschen Team in Vancouver.

"Davon ist mir nichts bekannt", sagte Gerd Heinze, Präsident der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG). Er kritisierte die angeblich mangelnde Diskretion der Ermittler scharf: "Das ist nicht hinnehmbar. Der Schaden für die Sportlerinnen ist immens." Heinze forderte, "zwischen Zeugenbefragungen, die es in diesem Fall gegeben hat, und konkreten Verdächtigungen zu differenzieren". Da dies bislang nicht geschehe, "werden wir, die wir im Fall Pechstein selbst Anzeige gegen Unbekannt gestellt haben, zu Unrecht unter Generalverdacht gestellt", sagte Heinze.

Vor allem die verzweifelten Versuche von Bundestrainer Markus Eicher, die Wogen zu glätten, schlugen in Erfurt ins Gegenteil um. "Das ist wie ein Schock für uns. Dass Heike Hartmann als Sprinterin mit Epo zu tun haben soll, ist ein Witz. Ich lege die Hand für sie ins Feuer", sagte Eicher und ergänzte mit Blick auf die Ermittler: "Sie wollen Hintermänner finden - so finden sie sie nicht."

Gleichzeitig sagte er, dass bei Hartmann "anscheinend einer von 18 Tests auffällig" gewesen sei. Schnell fügte Eicher hinzu, dass der Verdacht sich aber nicht erhärtet habe und die Werte "längst wieder normal" seien. Wenig später bestätigte er auch die Ermittlungen gegen Bente Kraus, eine 21 Jahre alte Läuferin ohne Weltcup-Erfahrung, während Präsident Heinze keine Gerüchte mehr kommentieren wollte: "Wir müssen unsere Athletinnen schützen."

Neben den "lancierten" Verdächtigungen gegen deutsche Athletinnen stört sich Heinze auch an den Untersuchungsmethoden der Ermittler, die mit Schusswaffen und kugelsicheren Westen die Objekte durchsucht hatten. "Es drängt sich der Eindruck auf, wir hätten Radsport-Probleme. Dem ist nicht so", sagte Heinze.

Zu den Objekten, die das BKA untersucht hat, gehört auch das Sportforum in Berlin Hohenschönhausen, in dem Pechstein seit Beginn ihrer Karriere trainiert. Dies bestätigte Dr. Harry Bähr, der Leiter des Olympiastützpunktes. "Wir begrüßen, dass die Ermittlungen so intensiv durchgeführt werden. Wir hoffen, dass wir zur Aufklärung des Falles beitragen konnten", sagte Bähr.

Pechsteins ehemaliger Trainer Joachim Franke bestritt derweil Gerüchte, denen zufolge auch er Besuch von der Staatsanwaltschaft erhalten habe. "Das stimmt nicht. Bei mir war keiner", sagte Franke.

Bekannt geworden waren zuvor auch Hausdurchsuchungen in der DESG-Zentrale, bei Pechstein und bei DESG-Teamchef Helge Jasch. Am Freitag hatte Heinze in einer offiziellen Verlautbarung die Gerüchte bestritten, es bestehe Dopingverdacht gegen zwei Sportlerinnen der DESG. Unklar ist, ob es sich bei Hartmann und Kraus um die Läuferinnen handelt, die auf einer angeblichen Liste des Weltverbandes ISU stehen. Darauf sollen zwölf Personen geführt werden, die wie Pechstein erhöhte Retikulozytenwerte aufweisen sollen. Bislang ist die ISU allerdings nur gegen Pechstein vorgegangen, die eine Zwei-Jahres-Sperre absitzt.

Auch an den unverdächtigen Sportlerinnen geht das Thema nicht spurlos vorüber. Jenny Wolf, die bei ihrem ersten Auftritt nach ihrem Gewinn der olympischen Silbermedaille beide 500-m-Rennen in Erfurt souverän gewann, sagte im ZDF: "Das belastet einen schon. Es macht einfach keinen Spaß mehr, wenn man sich auf den Start freut, und dann kommt wieder so etwas dazwischen."

Heike Hartmann stand in Erfurt völlig neben sich, wurde am Samstag über 500 m Letzte und sagte danach ihren 1000-m-Start ab. "Kein Wunder, sie ist am Boden zerstört", sagte Eicher. Für die positivste Überraschung in der Gunda-Niemann-Stirnemann-Halle sorgte Monique Angermüller. Die Berlinerin gewann über 1000 m - allerdings in Abwesenheit zahlreicher Weltklasse-Läuferinnen - ihr erstes Weltcup-Rennen.

(SID/rl)
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