Gummersbach-Oberrengse Vereinssport bildet

Gummersbach-Oberrengse · Die Klubs zählen zu den wichtigsten Bildungseinrichtungen. Für DOSB-Präsident Hörmann sind sie ein Netzwerk von sozialen Tankstellen. Wo lassen sich soziale Kompetenzen besser erlernen als auf dem Sportplatz oder in der Halle?

Welche Schneeverhältnisse sind für den Skikursteilnehmer als schwierig zu bewerten (mehrere richtige Antworten)? Antwortmöglichkeiten:

a) Sulzschnee, zusammengeschobener Schnee

b) eisige Stellen auf der Piste

c) Pulverschnee

d) Pulverschnee im Wechsel mit eisigen Stellen.

Im kargen Tageszentrum im oberbergischen Oberrengse brüten 31 Männer und Frauen, Jungen und Mädchen über diese und andere Fragen. Sie wollen Skilehrer werden und gehen beim Westdeutschen Skiverband den ersten Schritt ihrer Ausbildung. Die Frage nach den problematischen Schneeverhältnissen ist eine einfache im 38-seitigen Katalog der möglichen Prüfungsfragen: Außer c) haben alle Schneebeschaffenheiten ihre Tücken.

Andere Themenfelder sind weitaus schwieriger. Biomechanik und Anatomie, Umweltschutz und Risikomanagement auf und neben der Piste stehen auf dem pickepackevollen Stundenplan des zweitägigen Seminars, das mit einem Erste-Hilfe-Kursus beginnt. Und das ist erst der Anfang. Auf das Wochenende im Oberbergischen folgen zwei Wochen im Schnee. Inklusive Theorie-, Praxisprüfung, Lehrprobe. Schon die unterste Stufe der Trainerausbildung für den Breitensport wirkt wie ein Sportstudium en miniature.

Der in den Vereinen organisierte Sport kümmert sich intensiv um Können und Kenntnisse seiner Trainer und Übungsleiter. Mehr als eine halbe Million Trainer, Übungs- und Jugendleiter gibt es in Deutschland, allein im Zuständigkeitsbereich des in dieser Hinsicht führenden Deutschen Turner-Bundes sind es rund 80.000. In Nordrhein-Westfalen nutzen jährlich 40.000 Teilnehmer die Angebote zur Qualifizierung des Landessportbunds (LSB). Die Trainer betreuen mehr als fünf Millionen Mitglieder in den NRW-Vereinen.

Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) weiß: "Der organisierte und gemeinnützige Sport versteht sich zu Recht als Bildungsakteur". Der LSB bekommt gerade viel Beifall für die Kampagne "Beim Sport gelernt", bei der er Promis und Ottonormalsportler mit ihren Erfahrungen zu Wort kommen lässt (siehe: wörtlich).

Purzelbäume und Pirouetten, Fallrückzieher und Vorhandvolley, Start- und Stabhochsprung bringen die Vereine ihren Mitgliedern bei. Doch sie lehren noch viel mehr. Wo lässt sich Teamfähigkeit besser entwickeln als beim Fußball, Handball oder Eishockey? Wo lernt man besser, sich auch mal zu quälen oder mit Niederlagen umzugehen? Und wo gegenseitige Unterstützung, Fairness und Respekt? Wo sonst genießt ehrenamtliche Tätigkeit eine so hohe Wertschätzung? Der Sport scheint die wahre Schule der Nation zu sein. Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds, sprach gestern von den 90.000 Vereinen als einem "Netzwerk von sozialen Tankstellen".

Doch dieser gute, auf jedem Sportplatz, in jeder Halle spürbare Eindruck hält nicht jeder wissenschaftlichen Überprüfung stand. Der emeritierte Paderborner Professor Wolf-Dietrich Brettschneider sieht in Sportvereinen zwar "die ideale Plattform zur Übernahme ehrenamtlicher Tätigkeit." Ein positiver Einfluss auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen sei aber selbst bei einer zehnjährigen Vereinsmitgliedschaft kaum zu finden. "Kein durchgängig positiver Effekt" heißt es in einer 2013 veröffentlichten Studie zu so zentralen Themen wie psychische Gesundheit, Gewalt und Persönlichkeitsentwicklung. Brettschneider sieht den Sportverein auch "als Ort, an dem das Trinken von Alkohol nicht nur kultiviert, sondern auch gelernt wird". Brettschneiders Lieblingsthese wurde und wird immer wieder gern diskutiert - vor allem wenn nach dem Handballtraining die Kronkorken der Bierflaschen durch die Umkleidekabine fliegen.

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