Basketball statt Eishockey Verkehrte Welt: Kanadier plötzlich im NBA-Fieber

Obwohl Kanada einen Steve Nash hervorgebracht hat, gilt Basketball dort eher als Randsportart. Doch im Mutterland des Eishockeys ist Basketball derzeit beliebter und erfolgreicher denn je. Und das liegt an den Toronto Raptors.

Toronto Raptors gleichen Serie gegen Cleveland Cavaliers aus
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Toronto gleicht Serie gegen Cleveland aus

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Verkehrte Welt in Kanada. Das Mutterland des Eishockeys, gerade wieder Weltmeister geworden, geht - sportlich - fremd. Statt Eishockey ist ein Sport angesagt, der zwar 1891 vom kanadischen Arzt und Pädagogen James Naismith erfunden wurde, aber dennoch als typisch US-amerikanisch gilt: Basketball. Erstmals seit 1970 hat kein kanadisches Team die Ausscheidungsspiele der nordamerikanischen Eishockey-Liga NHL erreicht, was einer nationalen Tragödie gleichkommt. Und ausgerechnet jetzt sorgen die Toronto Raptors in der K.o.-Runde der nordamerikanischen Basketball-Liga NBA für bislang unbekannte Wellen der Begeisterung.

Nach Jahren mit meist frühem Ende in den Play-offs und einem Leben im Schatten des Eishockey-Klubs Maple Leafs sowie der Baseballer der Blue Jays stehen die Raubvögel überraschend im Halbfinale. Und hier erweisen sie sich für die von Superstar LeBron James angeführten Cleveland Cavaliers als ebenbürtiger Kontrahent. Mit zwei Heimsiegen sorgten sie für die ersten Niederlagen des Vizemeisters in der K.o.-Runde. Dass es am Freitag in Toronto zu einem sechsten Spiel kommt, hätte kaum jemand für möglich gehalten.

Die mitreißenden Auftritte des Teams um die Allstars DeMar DeRozan und Kyle Lowry führten soweit, dass der immer vorlaut daherkommende Analyst Stephen A. Smith des Fernsehsenders ESPN Abbitte leistete. "Ich möchte mich bei Kanada und allen Kanadiern entschuldigen, denn ich dachte, dass Cleveland mit 3:1 abreist und die Cavs die Serie daheim beenden", sagte Smith, nachdem Toronto durch ein 105:99 zu Wochenbeginn der 2:2-Ausgleich gelungen war.

Die Heimspiele sind längst Festtage. Wer keines der begehrten knapp 20 000 Tickets für's Air Canada Centre bekommt, trifft sich mit Tausenden Gleichgesinnten vor der Großbildleinwand außerhalb der Arena.

Maple Leafs hinken seit Jahren hinterher

Der Platz trägt den Namen Maple Leafs Square. Der Eishockey-Klub ist ein Markenzeichen der Stadt, 13-maliger Stanley Cup-Champion, mehr als eine Milliarde Dollar wert. Doch die Maple Leafs haben den Menschen seit gefühlten Ewigkeiten keinen Grund gegeben, sich um diese Jahreszeit zu treffen und zu jubeln. Seit 2004 wurden die K.o.-Runde nur einmal erreicht und prompt verloren.

Die Geschichte der Raptors ist komplett anders. Sie spielen seit 1995 in der NBA, gehören dennoch nicht so richtig dazu. Fans und Spieler anderer Vereine belächeln den Klub oft. Kanada ist halt nicht die USA.

"We the North", heißt dennoch das Mantra. "Es bedeutet, wir gegen alle anderen. Und es sagt auch, dass es uns egal ist, ob wir die Anerkennung und den Respekt bekommen, den wir verdient haben", sagt Flügelspieler Patrick Patterson. Der 27-jährige macht deutlich, dass sich die Raptors auch ohne kanadischen Spieler als kanadischen Club sehen.

"Wir wollen, dass alle 35 Millionen Kanadier ihr Team anfeuern. Wir werden der Welt zeigen, dass Toronto nicht nur eine großartige, sondern die beste Basketballstadt ist", tönt Patterson. Die Voraussetzung für landesweite Liebe ist vorhanden - mit Spielern aus den USA, Brasilien, Argentinien, dem Kongo und Litauen ist das Team so Multi-Kulti wie die Nation.

(dpa)
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