Höhenflug im Schlafanzug Die Cubs bekämpfen den Fluch der Ziege

Die chronisch erfolglosen Chicago Cubs sind die Überraschung der Saison in der US-Baseball-Profiliga. Nun träumen sie vom ersten Titel seit 106 Jahren.

 Die Cubs träumen vom Titel.

Die Cubs träumen vom Titel.

Foto: ap

Womöglich wäre alles ganz anders gekommen, hätte Billy Siamis am 6. Oktober 1945 seine Ziege zu Hause gelassen. So aber störten sich die Sitznachbarn im Wrigley Field von Chicago am Geruch des Tieres - und Siamis wurde während des vierten Spiels der World Series zwischen den Cubs und den Detroit Tigers aus dem Stadion geworfen. Das sollte sich rächen. "Die Cubs werden nie mehr gewinnen", rief Siamis, der Besitzer der Kneipe "Billy Goat Tavern", erbost.

Und so geschah es. Seit dem 6. Oktober 1945 lebt und leiden die Cubs unter "The Curse of the Billy Goat", dem Fluch von Billys Ziege. Die "jungen Bären" verloren damals das vierte Spiel und schließlich mit 3:4 auch die Serie "best of seven" um den Titel in der Major League Baseball (MLB); sie haben seitdem die World Series nie mehr erreicht. Seit 1908 sind sie damit ohne Titel. Länger ist keine Profimannschaft in Nordamerika erfolglos geblieben.

Nun aber geschehen erstaunliche Dinge. Erstmals seit 2008 haben die Cubs die Play-offs erreicht. Am Mittwoch spielen sie gegen die Pittsburgh Pirates das Wild-Card-Game um den Einzug in das Viertelfinale der MLB - und niemand will mehr ausschließen, dass sie in der World Series zumindest ankommen. "Aufgrund ihrer Jugend und ihres Talents können sie diesmal der X-Faktor sein", also die große Unbekannte, schreibt USA Today: "Klar ist: Keiner will gegen sie spielen."

Die Kehrtwende bei den "lovable losers", den liebenswerten Verlierern mit ihrem 100 Jahre alten Wrigley Field, wo Efeu an der Begrenzungsmauer des Spielfeldes wächst, begann 2012. Cubs-Besitzer Tom Ricketts warb General Manager Theo Epstein von den Boston Red Sox ab - und der krempelte den Klub um. Epstein gab alte und teure Stars ab und füllte zunächst die Farmteams mit Talenten auf. Die Cubs nahmen den Absturz in Kauf, um in der Zukunft Erfolg haben zu können.

Der Plan geht nun früher auf als gedacht. Vor der Saison holte Epstein den renommierten Manager (Coach) Joe Maddon. Maddon ist ein wenig schrullig: Er bestellt Zauberer in die Kabine, um das Team während einer schlechten Phase ein wenig aufzuheitern; er lässt Flamingos durch sein Büro laufen; er gibt Mottos für Auswärtsreisen vor - die Spieler laufen dann etwa in Superhelden-Kostümen, als Figuren aus "Star Wars" oder im Schlafanzug herum. Aber: Der Mann ist erfolgreich.

Maddon hat die Mannschaft zu ungeahnten Höhen gecoacht. Die besten der geduldig angesammelten Talente stehen bereits in der Startformation, bisweilen spielen die Cubs mit fünf Rookies. Darüber hinaus hat nicht Star-Werfer Jon Lester eine herausragende Saison, sondern plötzlich der bislang mittelmäßige Jake Arrieta: Arrieta ist so gut, dass er sensationell mittendrin ist im Rennen um die Wahl zum besten Pitcher der Saison.

Die leidgeprüften Anhänger haben sich derweil einiges einfallen lassen, um den "Curse of the Billy Goat" zu brechen. Fünf professionelle Wettkampf-Esser (ja, Wettessen ist in den USA ein Profisport), haben, als der Play-off-Einzug feststand, medienwirksam eine Ziege verspeist. Ob es hilft? Sam Siamis, Neffe von Billy Siamis, hat allen Ernstes betont, erst, wenn Ziegen uneingeschränkt Zugang zum Wrigley Field bekämen, werde es vorbei sein mit dem bösen Zauber.

Da halten es die Abergläubischen lieber mit einem anderen Omen. Im 1989 veröffentlichten Film "Zurück in die Zukunft II" ist eine Szene zu sehen, die am 21. Oktober 2015 spielt. Marty McFly und dessen Rivale Biff blicken auf eine Videotafel, und dort läuft die Schlagzeile: "Cubs win World Series". "Falls sie es nicht gemerkt haben", schrieb deshalb das ESPN Magazine: "Es ist 2015."

(sid)
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