Tischtennis-WM Länderkampf ohne Grenzen

Düsseldorf · Die Regel war schon mal abgeschafft, doch bei der Tischtennis-WM dürfen seit zwei Jahren auch wieder Doppel unterschiedlicher Nationen zusammenspielen. Das sorgt für Verwirrung - und das populärste Duo ist schon draußen.

 Timo Boll trat mit dem Weltranglisten-Ersten Ma Long (China) an.

Timo Boll trat mit dem Weltranglisten-Ersten Ma Long (China) an.

Foto: dpa, jg fpt

Weltmeisterschaften sind Länderkämpfe. Die Leute in den Sportstätten und vor den Fernsehern fiebern mit den Athleten ihres Heimatlandes. Umso verwirrender ist es daher für einige Zuschauer, dass bei der Tischtennis-WM in Düsseldorf im Mixed und Doppel Sportler unterschiedlicher Herkunft zusammenspielen. Diese Regel des Weltverbands ITTF war zwischendurch abgeschafft worden, ist seit 2015 aber wieder in Kraft. Und so trat Timo Boll mit dem Weltranglisten-Ersten aus China an, Ma Long. Patrick Franziska und Jonathan Groth (Dänemark) versuchten, nach der EM auch die WM zu gewinnen - und im Mixed hat sich Petrissa Solja mit dem chinesischen Star Fang Bo zusammengetan.

Jörg Roßkopf fällt es schwer, über die Regel des Weltverbandes zu urteilen. Verständlich, denn als Sportler hat er selbst davon profitiert, als Bundestrainer muss er nun aber ein deutsches Doppel für die Olympischen Spiele zusammenstellen. 1998 wurde "Rossi" an der Seite des Weißrussen Vladimir Samsonov Europameister. Roßkopf war es aber auch, der mit einem Deutschen 1989 einen Tischtennis-Boom in der Heimat ausgelöst hat. In Dortmund wurde er zusammen mit Steffen Fetzner Doppel-Weltmeister.

"Deshalb kann ich verstehen, dass diese Regel Verwirrung stiftet. Natürlich ist es etwas anderes, wenn zwei Deutsche an die Platte gehen, aber die Zeiten haben sich eben geändert", sagt der Bundestrainer. "Jetzt will man mit spektakulären Konstellationen einen Hype entfachen. Da passt Timo perfekt rein."

Der Deutsche Tischtennis-Bund stand vor der schwierigen Frage, welche je drei Männer-, Frauen- und Mixed-Duos er bei der Heim-WM aufbietet. Auch vor dem Hintergrund, dass bei Olympia 2020 in Tokio nur innerdeutsche Kombinationen erlaubt sind. "Bei der WM 2018 in Halmstad werden wir mit Blick auf 2020 ein deutsches Top-Doppel aufbauen. Aber jetzt hat es sich angeboten zu kombinieren, weil Olympia noch weit weg ist", sagt Sportdirektor Richard Prause.

So stellte der DTTB eine Anfrage zu möglichen Kombinationen an Chinas Verband. Dieser bot Ma Long und Fang Bo an. Für das Marketing sind solche Duos ideal, sportlich gibt es unterschiedliche Ansichten. Ma Long und Boll trainierten kein einziges Mal vor dem ersten Match. Es war schlicht nicht möglich, einen Termin zu finden. Solja berichtete, beim ersten Training mit Fang Bo so nervös gewesen zu sein, dass sie kaum in der Lage war, vernünftig zu spielen. Dazu kommt die Sprachbarriere: Viele chinesische Spieler sprechen kaum Englisch.

Zudem führte die Nominierung zu einem Disput. Der topgesetzte Deutsche, Dimitrij Ovtcharov, wäre ebenfalls gerne im Doppel angetreten - mit seinem japanischen Vereinskollegen aus Orenburg, Jun Mizutani. Roßkopf entschied sich hingegen für das eingespielte deutsche Duo Ruwen Filus und Ricardo Walther. "Dass ich so abserviert wurde für das Doppel, hat mir wehgetan. Aber wir gehen damit professionell um", sagt Ovtcharov. "Ich hoffe, dass sie mit ihrer Entscheidung glücklich werden." Filus und Walther verloren in der ersten Runde 3:4 gegen die Tschechen Jancarik/Sirucek. Boll und Ma Long sowie Franziska/Groth scheiterten dann jedoch im Achtelfinale ebenfalls.

Dass Boll und Ma dies gegen das Topduo Chinas, Fan Zhendong und Xu Xin, passierte, schmälerte die Enttäuschung nicht. Auch nicht bei den Fans in der Halle, die den Lokalmatador und seinen Partner mit Standing Ovations begrüßt hatten. Die WM hat ein Stück Faszination verloren - doch dafür hat Solja an der Seite Fangs durch den Einzug ins Halbfinale bereits eine Medaille gewonnen. Für die Pfälzerin hat sich das deutsch-chinesische Experiment voll ausgezahlt.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort