Philipp Kohlschreiber im Interview "Erteile Neuer gerne eine Lektion"

London · Es war lange fraglich, ob Philipp Kohlschreiber in Wimbledon an den Start gehen kann. Eine Hüftverletzung hatte ihn gehandicapt. Doch er ist rechtzeitig fit geworden für das Montag startende Grand-Slam-Turnier. Der 32-Jährige spricht über den Mythos Wimbledon, die Zukunft von Alexander Zverev und Titelchancen des DFB bei der EM.

Das ist Philipp Kohlschreiber
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Foto: dpa, dm nic

Herr Kohlschreiber, Wimbledon gilt als das wichtigste Tennisturnier der Welt. Was macht für Sie den Reiz aus?

Philipp Kohlschreiber Dieser Ort hat einfach etwas Besonderes. Vor allem unfassbar viel Tradition. Das Turnier ist der Star, und alle ordnen sich dem unter. Jedes Jahr werden die Regeln strenger, noch mehr in Weiß zu spielen. In einer Zeit, in der immer mehr traditionsreiche Turniere zu anderen Standorten umziehen, steht Wimbledon über den Dingen.

Sie galten lange als ein schwieriger Charakter in der deutschen Tennisszene. Seit ein paar Monaten wirken Sie indes wie ausgewechselt - was ist passiert?

Kohlschreiber (lacht) Ich werde schon immer ein Typ mit Ecken und Kanten bleiben. Ich bin einer, der aus Fehlern lernen will. Ich wollte es noch nie allen recht machen. Es geht für mich aber nicht so sehr um die Vergangenheit. Ich lebe im Hier und Jetzt. Es geht für mich nicht so sehr darum: Was habe ich falsch gemacht? Sondern: Was kann ich daraus lernen?

Sie sind mittlerweile 32 Jahre alt. Wie lange geben Sie sich noch auf der Profi-Tour?

Kohlschreiber Momentan fühlt sich noch alles gut an. Ich denke, dass ich noch ein paar gute Jahre in den Knochen habe. Ich bin auf jeden Fall noch hungrig auf große Taten. Solange ich in der Weltrangliste ordentlich mithalten kann, gibt es keinen Grund aufzuhören. Ich habe einfach Spaß an meinem Beruf.

Was trauen Sie Alexander Zverev zu?

Kohlschreiber Er ist die Zukunft des deutschen Tennis - keine Frage. Ihm steht alles offen. Er spielt mit unglaublich viel Power. Ich bin mir sicher, dass er es mindestens bis unter die Top 10 schaffen wird. Ich trainiere ja öfters mit ihm und weiß, was er für ein unglaubliches Potenzial hat. Bei seiner Finalniederlage im ostwestfälischen Halle gegen Florian Mayer hat man allerdings auch gesehen, was ihm noch fehlt. Der Flo gehört ja wie ich zu einer aussterbenden Art, mit ein bisschen mehr Kreativität und Ballgefühl ausgestattet als die jungen Burschen.

Bei den French Open in Paris sind alle deutschen Vertreter schon früh aus dem Turnier geflogen. Was macht Sie zuversichtlich, dass es diesmal besser läuft?

Kohlschreiber Das kann man nicht so allgemein beantworten. Die Auftritte waren ja nicht alle spielerisch desaströs. In der Endabrechnung interessiert das aber natürlich keinen mehr. Man muss einfach zur Kenntnis nehmen: Die Unterschiede zwischen den einzelnen Spielern sind nur noch ganz gering. Man braucht schon ein gutes Los, um die ersten Runden zu überstehen.

Glauben Sie denn, dass in Deutschland überhaupt die Voraussetzungen da sind, um wieder einen neuen Tennisstar hervorzubringen?

Kohlschreiber Wir haben in Deutschland nicht die besten Ausgangsvoraussetzungen. Das liegt alleine daran, dass wir kein Grand-Slam-Turnier haben. Dadurch haben Nationen wie Frankreich, England, die USA und Australien natürlich einen großen Vorteil. Förderung kostet Geld, das ist eine recht simple Formel. Der Deutsche Tennis Bund hat sicherlich nach den großen Zeiten von Steffi Graf, Boris Becker und Michael Stich nicht alles richtig gemacht. Jetzt muss man eben das Beste aus der Situation machen.

Sie treten in dieser Saison in der Tennis-Bundesliga für den Gladbacher HTC an. Wie ist es zu dem Engagement gekommen?

Kohlschreiber Wir haben ein, zwei Gespräche geführt, und ich war sofort begeistert von dem Konzept. Ich bin Teil eines sehr jungen Teams und soll den Talenten etwas mit meiner Erfahrung weiterhelfen. Die Idee fand ich wirklich toll.

Wie oft werden Sie in der Stadt sein?

Kohlschreiber Bisher haben wir ein, zwei Gelegenheiten besprochen. Zum ersten Mal werde ich am Finalwochenende von Wimbledon in Mönchengladbach sein. Sollte ich allerdings in London im Endspiel stehen, würde sich das Ganze um ein paar Wochen verschieben.

Was trauen Sie der deutschen Mannschaft bei der Endrunde der Fußball-EM zu?

Kohlschreiber Natürlich den Titel. Joshua Kimmich hat mich beim letzten Spiel besonders begeistert. Ich habe gesehen, Manuel Neuer hatte gepostet, dass er Kimmich beim Tennis vernichtend geschlagen hätte. Also wenn Kimmich mich dazu auffordert, kann ich Neuer mal gerne eine Lektion auf dem Court erteilen.

(gic)
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