Williams scheitert auch in Paris Wieder nix

Düsseldorf/Paris · Serena Williams scheitert zum dritten Mal beim Versuch, Steffi Graf als Grand-Slam-Rekordsiegerin einzuholen. Im Finale der French Open unterliegt sie Garbine Muguruza.

 Serena Williams hat erneut ein Grand-Slam-Finale verloren.

Serena Williams hat erneut ein Grand-Slam-Finale verloren.

Foto: dpa, sam

Ungläubig starrt Serena Williams auf die Grundlinie des Court Philippe Chatrier. Sekundenbruchteile zuvor war der Tennisball nach einem Lob ihrer Gegnerin Garbine Muguruza auf eben jener Linie gelandet. Williams hatte sich verschätzt. Nicht das erste Mal in diesem Finale der French Open in Paris. Aber das letzte Mal. Muguruza (22) fällt zu Boden, streckt die Arme in die Luft. 7:5, 6:4 - der erste Grand Slam-Titel für die Spanierin. Williams sammelt sich kurz und gratuliert schließlich artig. Bilder, die das Gedächtnis der Tennisfans aktivieren. Bereits im Januar musste die US-Amerikanerin mit Trostpreis in der Hand zuschauen, wie eine Konkurrentin eine Grand-Slam-Trophäe in Empfang nahm. Damals war es die Kielerin Angelique Kerber bei den Australian Open. Es scheint, als befände sich die 34-jährige am Scheideweg ihrer Karriere: Wird sie als erfolgreichste Tennisspielerin in die Geschichte eingehen oder geht ihr auf der Zielgerade die Puste aus?

Sportler versuchen Statistiken und Zahlen in der Regel nur zu nutzen, wenn sie sich davon Vorteile versprechen. Für Serena Williams gibt es eine Zahl, die sie motivieren soll. Momentan wird sie von dieser aber allem Anschein nach gehemmt. 22 - so viele Grand-Slam-Titel hat Steffi Graf gewonnen. Rekord seit Beginn der Open-Ära 1968, der Professionalisierung des Tennissports. Im Regal von Serena Williams stehen 21 Trophäen der großen vier Turniere Australian Open (6), French Open (3), Wimbledon (6) und US Open (6).

Seit ihrem vorerst letzten Triumph in Wimbledon im Vorjahr wird sie ständig damit konfrontiert, wann der Rekord eingestellt wird und - noch wichtiger - wann sie denn nun alleinige Rekordhalterin wird. Die Erwartungshaltung ist immens. Zweifel, dass es so kommt, existierten zunächst nicht. Die Frage war nie ob, die Frage war nur wann. Drei Grand Slams sind seither vergangen. Bei den US Open 2015 scheiterte sie im Halbfinale an der Italienerin Roberta Vinci, im Januar im Finale an der Deutschen Kerber und nun an der Spanierin Muguruza. Und plötzlich kommen doch Zweifel.

"Natürlich bin ich enttäuscht. Garbine hat die wichtigen Punkte einfach besser gespielt", sagte Williams, als sie nur wenige Minuten nach dem Match genervt im Interviewraum saß. Adduktorenprobleme hätten nicht ihr perfektes Spiel zugelassen. Aber: "Ich werde niemals nach Entschuldigungen suchen und Dinge sagen wie: 'Oh, meine Adduktoren haben weh getan'." Auch Experten sehen einen Leistungsabfall unabhängig von Verletzungen. US-Tennis-Ikone Chris Evert sagt: "Serena wirkt in diesem Jahr läuferisch längst nicht mehr so explosiv". Die französische Zeitung "L'Equipe" schrieb gestern von "der Entwaffneten".

In der Tat warteten die Zuschauer vergebens darauf, dass sich Williams nach knapp verlorenem ersten Satz zurückkämpfte. Körpersprache und Laufarbeit zeugten nicht davon, dass sie selbst an einen Erfolg glaubte. Es schien, als sei die Gier nach dem Triumph zu klein, um sich dem Kampf zu stellen. So ergab sich Williams immer mehr ihrer Lethargie. Auch wenn sie vier Matchbälle abwehren konnte, blieb das Bild eines Weltstars über dem Zenit seiner Schaffenskraft.

Nun bleibt die Frage, ob Williams die mentale Stärke hat, die Rückschläge zu verarbeiten, um beim nächsten großen Turnier in Wimbledon (ab 27. Juni) wieder voll anzugreifen. Die spanische Tageszeitung "AS" sah im Endspiel von Paris indes mehr: "Garbine ist die Zukunft und die Gegenwart." Muguruza ist die erste Spanierin seit Arantxa Sanchez Vicario 1998, die einen Grand-Slam-Titel gewinnen konnte. Als neue Nummer zwei der Weltrangliste schürt sie in ihrer Heimat Hoffnungen, eine Wachablösung eingeläutet zu haben. Serena Williams wird versuchen, das zu verhindern - zumindest bis sie ihre Erwartungshaltung und die der Öffentlichkeit als alleinige Rekordhalterin erfüllt hat.

(erer)
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