Zoff um Davis Cup Dustin Brown — Sündenbock des deutschen Tennis

Berlin/Düsseldorf · Vor dem Abstiegsduell gegen Polen gibt es wieder Ärger rund ums Davis-Cup-Team. Die Topspieler sagten ab, als Ersatz vorgesehene Profis sprangen nicht ein und wurden gesperrt. Dustin Brown wehrt sich – und stichelt gegen Talent Alexander Zverev.

Dustin Brown – Rasta-Mann, Tattoo-Fan und Nadal-Schreck
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Das ist Dustin Brown

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Foto: afp, dan

Vor dem Abstiegsduell gegen Polen gibt es wieder Ärger rund ums Davis-Cup-Team. Die Topspieler sagten ab, als Ersatz vorgesehene Profis sprangen nicht ein und wurden gesperrt. Dustin Brown wehrt sich — und stichelt gegen Talent Alexander Zverev.

Dem deutschen Herrentennis kann man wahrlich nicht vorwerfen, keine Kontinuität vorweisen zu können. Es läuft seit Jahren schon desaströs. Nun sollte mal wieder alles besser werden. Und man hatte tatsächlich die Hoffnung, dass der im Präsidium des Deutschen Tennis Bundes (DTB) für den Sport zuständige Dirk Hordorff den Laden in den Griff bekommen würde. Dem 59-Jährigen, der unter anderen Rainer Schüttler und Janko Tipsarevic trainierte, traute man zu, für den nötigen Umschwung zu sorgen.

Doch diese Hoffnung ist schon nach wenigen Monaten im Amt dahin. Das Davis-Cup-Team ist heillos zerstritten, und Kapitän Michael Kohlmann bekam nur mit Ach und Krach eine Notbesetzung zusammen, die gegen die international eher zweit- bis drittklassigen Polen den ersten Abstieg aus der Weltgruppe seit 13 Jahren verhindern soll. Als Zeichen vermeintlicher Stärke schloss der DTB drei Spieler für ein Jahr aus dem Davis Cup aus, die nach den Absagen von Alexander Zverev (Hamburg) und Philipp Kohlschreiber (Augsburg) nicht einspringen konnten oder - wie vom DTB unterstellt - wollten: Mischa Zverev (Hamburg/Nr. 112 der Weltrangliste), Tobias Kamke (Lübeck/141) und Dustin Brown. Der Weltranglisten-82. aus Winsen akzeptierte die ihm zugedachte Rolle als Sündenbock jedoch nicht und kritisierte seinerseits den DTB.

Teamchef Kohlmann stehen von heute bis Sonntag in Berlin nur noch Florian Mayer (Bayreuth/Nr. 59), Jan-Lennard Struff (Warstein/67), Daniel Brands (Deggendorf/163) und Daniel Masur (Bückeburg/265) zur Verfügung. Dennoch: egal, wer eingesetzt wird - am Ende muss der Klassenerhalt stehen.

Kohlschreibers Absage am Montagabend kam nicht unerwartet. Der 30-Jährige hat seine Fußverletzung, die in schon bei den Olympischen Spielen stoppte, noch nicht überstanden. Dagegen hatte Alexander Zverev, hochgelobtes und vom DTB intensiv gefördertes Talent, relativ schnöde mitgeteilt, für diese so wichtige Aufgabe nicht bereitzustehen. Er sei überspielt, lautete seine letzte Version. Die Absage wurde von Hordorff zwar einigermaßen verschnupft zur Kenntnis genommen, aber mit größtmöglichem Verständnis kommuniziert. Schließlich ist der 19-jährige Hamburger, aktuell Nummer 27 in der Welt, so etwas wie die Lebensversicherung des Verbandes auf bessere Zeiten. Er ist indes kein einfacher Typ. Im DTB gibt es viele, die über sein divenhaftes Auftreten schimpfen.

Über das Verhalten des DTB ist Brown, der mit seiner ungewöhnlichen, spektakulären Art des Tennisspielens stets für Unterhaltung gut ist, verärgert. Seinen Start beim unterklassigen Turnier in Stettin, bei dem er im Viertelfinale steht, verteidigte der 31-Jährige: "Wenn ich nicht hundertprozentig fit bin und beim Challenger verliere, ist das mein persönliches Risiko. Wenn ich aber beim Davis Cup antrete und nicht hundertprozentig fit bin, könnte Deutschland verlieren. Genau das wollte ich vermeiden und habe meine Absage auch so begründet. Warum es seitens des DTB nicht so dargestellt wird, ist für mich unverständlich", schrieb der Deutsch-Jamaikaner bei Twitter. Und er legte gleich eine Spitze in Richtung Alexander Zverev nach. "Auch ist es mehr als merkwürdig, dass Spieler, denen der Belag und das Datum erst nicht passen, plötzlich überspielt sind. Das nennt man dann wohl eine gelungene Darstellung der DTB-Politik."

Mischa Zverev, Kamke, der beim Challenger in Istanbul heute ebenfalls um den Einzug ins Halbfinale kämpft, und Brown gehören gewiss nicht mehr zu den Hoffnungsträgern im deutschen Tennis. Deshalb dürften sie ihren Terminkalender ohne die Eventualität eines Davis-Cup-Einsatzes geplant haben. Auch deshalb erinnern ihre Sperren an das berühmte Schießen mit Kanonen auf Spatzen.

Heute steht ab 11 Uhr endlich wieder der Sport im Mittelpunkt, wenn Struff auf Majchrzak trifft.

(RP)
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