Madrid/Paris Spaniens Ära endet mit Zerwürfnis

Madrid/Paris · Der zurückgetretene Trainer Vicente del Bosque soll sich mit Torwart Iker Casillas überworfen haben.

Vicente del Bosque verkündete höchstpersönlich das Ende einer Ära - offenbarte aber auch gleichzeitig tiefe Gräben in der erfolgsverwöhnten Mannschaft der Furia Roja bei der EM. "Ich habe allen Spielern Nachrichten geschrieben, bis auf einen - Casillas", sagte der Coach in einem Radio-Interview und berichtete erstmals vom offenbar tiefen Zerwürfnis mit Spaniens Torwart-Ikone Iker Casillas (35 Jahre).

Nach 167 Länderspielen für die Iberer war der Keeper des FC Porto bei der EM-Endrunde zur Nummer zwei hinter David de Gea (25/Manchester United) degradiert worden. "Bei seinen Mitspielern hat er sich korrekt verhalten, aber mit dem Trainerstab war es so lala", verkündete del Bosque. "Er hat sich von mir ungerecht behandelt gefühlt, aber auch vom Konditionstrainer Javier Minano und Assistent Toni Grande. Er war verärgert über uns."

Erstaunlich offene Worte des langjährigen Übungsleiters der spanischen Auswahlmannschaft, der seit seinem Amtsantritt 2008 selten Interna über die spanische Truppe in der Öffentlichkeit verbreitet hatte. Vor zwei Tagen hatte Casillas wiederum die spanische Öffentlichkeit mit seiner sibyllinischen Videobotschaft in den sozialen Netzwerken verwirrt.

Er hatte eine Sequenz aus dem Film "Rambo II" mit Sylvester Stallone gepostet, in dem "John Rambo" zu "Oberst Sam Trautman" sagte: "Dass dich dein Land genauso lieben sollte wie du es liebst." Fühlte sich Casillas nicht entsprechend wertgeschätzt? In Spanien war das jedenfalls als Hinweis auf einen Rücktritt von Casillas aus dem Nationalteam gedeutet worden - perfekt ist dieser aber noch nicht.

Del Bosque setzte seinen Abschied, der allgemein erwartet worden war, hingegen relativ zügig in die Tat um. "Ich werde meinen Vertrag bis zum 31. Juli erfüllen, dann aber als Trainer nicht mehr weitermachen", sagte del Bosque drei Tage nach der 0:2-Niederlage gegen Italien und dem Aus im EM-Achtelfinale. Die Träume der roten Furie, den Titel in Frankreich erfolgreich zu verteidigen und die Schmach des Vorrunden-Aus bei der WM 2014 zu tilgen, wurden nicht Wirklichkeit.

Als es darauf ankam, konnte Spanien nicht mehr zulegen und wurde von den Azzurri taktisch klar beherrscht. Die goldene spanische Generation, die schon 2014 entzaubert wurde, dankt endgültig ab. Real Madrid (im Endspiel gegen Atletico Madrid) in der Champions League und Dauersieger FC Sevilla in der Europa League setzten Spaniens Erfolgsweg im Europacup fort, aber das Nationalteam hat viel von einstigem Glanz eingebüßt. Ein neuer Coach muss es mit Blick auf die WM 2018 in Russland richten.

Die Del-Bosque-Nachfolgersuche wird noch andauern. Verbands-Präsident Ángel María Villar Llona favorisiert angeblich Julen Lopetegui, der im Januar beim FC Porto entlassen wurde. Gesucht wird wieder ein spanischer Fußballlehrer.

Das Viertelfinalspiel zwischen Wales und Belgien war beim Druck dieser Ausgabe nicht beendet. Spielbericht unter www.rp-online.de/em

(sid)
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