Düsseldorf Russlands Leichtathletik droht das Olympia-Aus

Düsseldorf · Die Untersuchungskommission der Wada ist von staatlich gestütztem Doping überzeugt. Der Weltverband IAAF und das IOC stehen unter Druck.

Die Doping- und Betrugsaffäre in der russischen Leichtathletik weitet sich zu einem der größten Skandale der Sportgeschichte aus. Die Forderung der unabhängigen Untersuchungskommission der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada), den nationalen Leichtathletik-Verband (Araf) wegen Nicht-Einhaltung des Anti-Doping-Codes aus dem Weltverband (IAAF) auszuschließen, stellt den Sport auf seinen höchsten Ebenen vor eine Zerreißprobe.

"Es ist schlimmer, als wir dachten", sagte der Kommissionsvorsitzende Richard Pound in Genf. Der frühere Wada-Präsident und IOC-Vize sprach von "staatlich gestütztem Doping" und bezichtigte Russlands Sportminister Witali Mutko der Mitwisserschaft. Der Kanadier empfahl den Ausschluss russischer Leichtathleten von den Olympischen Spielen 2016 in Rio, falls Russland keine nachhaltigen Schritte aus dem Sumpf unternehmen sollte: "Ich hoffe, sie haben verstanden, dass es Zeit zu handeln ist." Das scheint nicht der Fall. Mutko konterte umgehend: "Es gibt keinen Grund zur Verwirrung: Die Kommission hat kein Recht, irgendjemanden zu suspendieren."

Sollte jedoch die Wada das Maßnahmenpaket offiziell an die IAAF und das Internationale Olympische Komitee (IOC) weiterreichen, könnte erstmals der Ausschluss eines Landesverbandes von internationalen Wettbewerben wie Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen erfolgen. Unabhängig vom Fortgang der Dinge stehen IAAF und IOC enorm unter Druck. Die Untersuchungsergebnisse lassen wenig Spielraum für harmlose Sanktionen. Sogar die Polizei-Behörde Interpol startete umgehend die "Operation Augias" mit weltweiten Ermittlungen. Der neue IAAF-Präsident Sebastian Coe nannte die Ergebnisse alarmierend und versprach Aufklärung. Er habe das IAAF-Council aufgefordert, den Prozess zur Überprüfung von Sanktionen gegen die Araf einzuleiten.

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Foto: dpa

Systematische Dopingkultur, ein Korruptionsgeflecht mit der IAAF-Spitze um den langjährigen Präsidenten Lamine Diack (82/Senegal) und sogar das Mitwirken des russischen Geheimdienstes FSB - die Wada-Kommission sieht es als erwiesen an, dass eine "tief verwurzelte Betrugskultur" geherrscht habe. Nach ihrer Überzeugung war auch die russische Regierung aktiv beteiligt. Pound: "Ich glaube nicht, dass es irgendeine andere mögliche Schlussfolgerung gibt."

Auf 320 Seiten zerstört der Bericht jeden noch vorhandenen Rest an Glaubwürdigkeit in den russischen Sport und die Arbeit des Weltverbandes IAAF. Und er enthüllte Mafia-Methoden, die die Sportwelt bis ins Mark erschüttern. Erstmals wurde nachgewiesen, dass ein Weltverband durch die Vertuschung positiver Dopingproben selbst dafür sorgte, dass die Ergebnisse internationaler Wettbewerbe verfälscht wurden und dafür mehr als eine Million Euro kassierten. So hätte unter anderem die spätere 800-m-Olympiasiegerin Marija Sawinowa in London (2012) nicht starten dürfen. Die Kommission befürwortet eine lebenslange Sperre für die 30-Jährige wegen Dopings. Insgesamt wurden Sanktionen gegen fünf Sportler, vier Trainer und einen Mediziner sowie Nachuntersuchung in zahlreichen weiteren Verdachtsfällen gefordert.

Beschuldigt wurden das Moskauer Anti-Doping-Labor und dessen Chef Gregori Rodschenkow. Mediziner und Laborpersonal hätten den Betrug ermöglicht. Zudem seien "mut- und böswillig" mehr als 1400 Proben zerstört worden, nachdem die Wada Zielkontrollen angeordnet hatte. Dem Labor soll die Akkreditierung entzogen und Rodschenkow "dauerhaft" von seinem Posten entfernt werden.

(sid)
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