Düsseldorf Russland versinkt im Dopingsumpf

Der Dopingskandal im russischen Sport zieht immer weitere Kreise. Nach dem Fall Maria Scharapowa sind russischen Medien zufolge zwei weitere Spitzensportler positiv auf das Mittel Meldonium getestet worden. Der fünffache Sprint-Weltmeister im Eisschnelllauf, Pawel Kulischnikow, sowie der Olympiasieger im Shorttrack, Semjon Jelistratow, seien suspendiert worden.

Das Mittel, das unter anderem Scharapowa und den Eissschnelläufern zum Verhängnis wurde, war schon länger bei Russen beliebt. Das mutmaßlich leistungssteigernde Herzmedikament wird im Baltikum und in Russland vertrieben. Bereits bei den Spielen 2004 in Athen stellten Wissenschaftler fest, dass vor allem Sportler aus den ehemaligen Staaten der Sowjetunion bevorzugt auf das damals noch erlaubte Mittel zurückgriffen. Laut einer russischen Studie von 2015 fanden Moskauer Forscher in 724 von 4316 Urinproben Meldonium. Sportminister Witali Mutko rechnet mit weiteren Dopingfällen in seinem Land. "Es sieht so aus, dass wir uns wegen dieses Medikaments auf ein paar Schocks vorbereiten müssen", sagte der Minister.

Zu Wochenbeginn waren neue Vorwürfe gegen Russlands Leichtathleten bekannt geworden. Die Rufe nach einem Olympia-Ausschluss werden lauter. Eine WDR-Sendung lieferte Belege für neue Verstöße gegen die Anti-Doping-Richtlinien im russischen Verband. Demnach betreut ein eigentlich gesperrter Trainer weiter Athleten, ein Juniorentrainer soll mit Dopingmitteln handeln. Zudem soll die Chefin der derzeit suspendierten Anti-Doping-Agentur Rusada einst Athleten den Zeitpunkt von Kontrollen verraten haben.

Der Weltverband IAAF hatte Russland Ende November bis auf Weiteres gesperrt, russische Athleten dürfen derzeit nicht an internationalen Wettkämpfen teilnehmen. Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB), hält einen Ausschluss russischer Leichtathleten von Olympia für unwahrscheinlich. Im Gespräch mit unserer Redaktion sagte er: "Meine langjährige Erfahrung aus der Verbandstätigkeit sagt mir, dass Athleten, die zum Sportgerichtshof Cas gehen und dort ihre Teilnahme an den Spielen einklagen, relativ gute Karten haben." Der russische Hammerwerfer Sergej Litwinow, der eine Zeitlang für Deutschland startete und in der Bundeswehr diente, spricht sich gegen eine Sperre aus. Im Netzwerk Facebook schrieb er: "Habt ihr eine Ahnung, wie die Russen jetzt denken? Die glauben, dass der Westen sie zerstören will, das kann zu mehr Abschottung führen. Eine Sperre wird den Patriotismus noch mehr ankurbeln und die Kräfte, die was ändern können, werden aufgelöst."

Die Verbindung zwischen Olympia und Russland ist eng. IOC-Präsident Thomas Bach und Staatspräsident Wladimir Putin verstehen sich. Bach lobte die Winterspiele 2014 in Sotschi in den höchsten Tönen: "alles wirklich exzellent", "ausgezeichnete Organisation", "wunderschöne Spiele". Putin konnte sich als Gastgeber inszenieren. Umweltschäden, Menschenrechtsverletzungen, die Auseinandersetzungen auf der nahe gelegenen Krim - all das spielte in Bachs Bewertung keine Rolle. Putin inszenierte das "neue Russland". Kraftvoll und voller Selbstvertrauen. Wie zu Sowjetzeiten definiert sich das Russland der Putin-Zeit stark über den Sport. Als Ausrichter von Weltmeisterschaften (Leichtathletik, Schwimmen, Fußball) demonstriert das Land seine Stärke.

Inwieweit Tennisspielerin Maria Scharapowa im Dopingsystem ihres Heimatlandes steckt, ist fraglich. Die russische Zeitung "Sport-Express" baut die Verteidigungslinie auf: "Maria hat Russland als Kind in Richtung USA verlassen. Sie wuchs an einer amerikanischen Sportschule auf, es gab keine russischen Experten in ihrem Team, und es gab fast keinen Kontakt mit der in Ungnade gefallenen russischen Anti-Doping-Agentur." Trotz des positiven Dopingtests von Scharapowa erwartet der Tennisverband in Moskau eine Teilnahme Scharapowas an den Olympischen Spielen. Der Nürnberger Anti-Doping-Experte Fritz Sörgel rechnet hingegen mit einer zweijährigen Sperre. "Da gibt es nichts zu diskutieren", sagte er dem Sender Sky.

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