Kolumne Gegenpressing Ruhe sanft, westdeutsche Dopingaufklärung

Wieder ist ein Versuch gescheitert, die dunkle Seite unseres Sports zu beleuchten. Zu mächtig sind die Interessen all derer, die die Transparenz scheuen.

 Martin Beils.

Martin Beils.

Foto: Phil Ninh

Ein lieber Leser hat uns vor einiger Zeit ein Buch überlassen. "Olympia 1964 Tokio", heißt es. Der unvergessene Heinz Maegerlein (ja, der mit dem Spruch "Tausende standen an den Hängen und Pisten") hat es herausgegeben. Der Band enthält viele Schwarz-Weiß-Bilder und schwärmerische, nachgerade literarische Texte über die Faszination der Wettkämpfe im Fernen Osten. Der Leser glaubte, dieses mehr als ein halbes Jahrhundert alte Buch, sei in unserer Redaktion gut aufgehoben. Hier gebe es sicher Menschen, die die Faszination solcher Bücher erreicht. Recht hatte er. In unserem Redaktionsteam gibt es so manchen, der mit Olympiabüchern groß geworden ist und bei dessen Berufswahl sie einen Impuls gegeben haben.

Tokio 64, Mexiko 68, München 72, Montreal 76 - all das findet sich auch in meinem Bücherregal. Es war immer ein Fest, wenn so ein Buch auf den Markt kam. Nicht wie heute unmittelbar nach den Spielen, sondern nach Monaten Produktionszeit. Man vergisst die Zeit, wenn man in diesen Büchern schmökert.

Heute wissen wir zumindest ansatzweise um die dunkle Seite des Sports der vergangenen Jahrzehnte. Vor allem in der Zeit, als die deutsche Olympiamannschaft ab 1968 in Ost und West getrennt wurde und der kalte Krieg eine Fortsetzung und bisweilen Zuspitzung auf den Sportplätzen erfahren musste.

Für die DDR ist das staatliche Dopingprogramm dank der akribischen Aktenhuberei im Arbeiter- und Bauernstaat gut dokumentiert. Für den mutmaßlich mit ebenso schmutzigen Mitteln und Methoden arbeitenden Westen indes ist die Aufarbeitung nicht gelungen. Zu mächtig sind offensichtlich immer noch die Kräfte, die die West-Machenschaften vergessen machen wollen. Nach dem Scheitern einer Berliner Expertenkommission hat nun ein hochkarätig besetztes Forscherteam aufgegeben. Die Widerstände bei der Untersuchung der Vorgänge an der Universität Freiburg seien zu groß gewesen, hieß es.

Die Öffentlichkeit weiß zwar mittlerweile, dass im Breisgau Radrennfahrer getunt wurden, vieles andere aber bleibt im Bereich der Vermutung. Wie war das genau mit den Fußballern des VfB Stuttgart und vom SC Freiburg? Welche Rolle spielte der mittlerweile verstorbene Landesvater und spätere DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder? Welche dunklen Geheimnisse hat Joseph Keul, der Chefarzt der deutschen Olympiamannschaft, mit ins Grab genommen? Welche Rolle spielte der langjährige Medizinmann von Boris Becker und Steffi Graf in der deutschen Sportgeschichte wirklich?

Wer sich für Olympiabücher interessiert, interessiert sich auch für Antworten auf diese Fragen.

Ihre Meinung? Schreiben Sie dem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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