Olympiasieger Richard Schmidt "Olympia ist mehr als Doping und Korruption"

Dortmund · Richard Schmidt (30) ist Olympiasieger mit dem Ruder-Achter und einziger Deutscher in der Athletenvertretung der Welt-Anti-Doping-Agentur. Das Image des olympischen Sports in der Öffentlichkeit bereitet ihm große Sorgen.

 Richard Schmidt

Richard Schmidt

Foto: imago sportfotodienst

An diesem Nachmittag ist der Dortmund-Ems-Kanal ein trister Ort. Es ist kalt, regnet in Strömen, der Wind pfeift über das Wasser. Kein Wetter, bei dem man Lust auf Rudern verspürt. Das geht auch Richard Schmidt so. Obwohl Rudern sein Leben bestimmt. Schließlich sitzt er seit neun Jahren im Deutschland-Achter. Aber heute ist der 30-Jährige froh, dass nur Krafttraining und eine Runde Hallenfußball anstehen. Keine Einheit auf dem Kanal. Vor dem Kraftraum geht es aber erst einmal in den Glaskasten, wie die Ruderer den Besprechungsraum im 2. Stock des Leistungszentrums nennen.

Eine Stunde nimmt sich der Olympiasieger von 2012 dann Zeit, um zu versichern, dass etwas nicht stimmt mit dem Image, das der olympische Sport hierzulande aktuell hat. "Die meisten Amateursportler, die bei Olympia antreten, vertreten ganz andere Werte als all das Schlechte, das über Olympia momentan geschrieben wird. Ehrlichkeit, Leidenschaft, Beharrlichkeit, Fairness - gesunde Attribute, die in der Gesellschaft Vorbilder kennzeichnen. Aber in den Medien geht es bei Olympia nur noch um Doping oder Korruption. Dabei ist Olympia doch so viel mehr." Es stört ihn gewaltig, das merkt man an der Energie, mit der er spricht. Aber der Wirtschaftsingenieur will nicht nur bemängeln. Er will das Übel Doping aktiv bekämpfen.

Deswegen sagte er auch ja, als man ihn im Vorjahr für die Athletenvertretung der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) vorschlug. Er ist dort der einzige Deutsche. "Es bringt nichts, wenn man sich immer nur über das Doping-Problem beschwert und sagt, alles ist blöd. Man muss irgendetwas machen", sagt Schmidt. Die Wada sitzt zwar in Kanada, aber in Zeiten von Online-Konferenzen ist auch das nicht aus der Welt. Zudem steht Schmidt vor Ort mit der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) im Kontakt, tauscht sich viel mit Athletensprecherin Silke Kassner, einer Kanutin, aus. Sie alle verfolgen ein Ziel: "Es wäre super, wenn sich irgendwann mal alle Länder an den Wada Compliance Code halten", sagt Schmidt. Das hieße, dass sich alle Nationen denselben Standards im Anti-Doping-Kampf unterordnen. "Ich finde, dass wir in Deutschland ein sehr strenges Anti-Doping-System haben, und das muss auch so sein. Aber ich weiß, dass es international anders läuft, und das finde ich nicht fair. Denn der Imageschaden, den Doping im Sport anrichtet, ist eine Katastrophe."

Die größte Katastrophe im internationalen Sport haben nach Überzeugung fast aller die Russen zu verantworten, weil sie über Jahre hinweg staatlich organisiertes Doping im Leistungssport betrieben. Heute will das Internationale Olympische Komitee (IOC) entscheiden, ob es das russische Team deswegen von den Winterspielen in Pyeongchang im Februar ausschließt. Schmidt ist selbst gespannt, wie die Entscheidung ausfällt. "Das IOC hat aktuell einfach keinen guten Ruf, und das liegt nicht nur an den bösen Medien, die so schlecht über das IOC berichten. Ich glaube, dass es in Bezug auf Russland genauso entscheidet wie im Vorfeld von Rio", sagt er. Im Vorjahr hatte man sich nicht zu einem Komplett-Ausschluss für die Sommerspiele durchringen können. Zum Missfallen von Schmidt. "Wenn Doping mit System passiert, ist es noch einmal eine ganz andere Qualität des Betrugs. Der russische Verband muss merken, dass es so nicht geht."

Wenn es um das Image des Sports in Deutschland geht, hat Schmidt einen großen Wunsch: Olympia mit sich selbst zu kurieren. "Ich würde mich riesig freuen, wenn Deutschland mal wieder die Olympischen Spiele ausrichten würde. Wir sind so ein reiches Land, und dann entscheidet sich Hamburg gegen eine Olympia-Bewerbung. Da denke ich mir: Okay, hier läuft einiges falsch. Der Amateursport hat in diesem Land offenbar einen ganz schlechten Ruf. Lassen Sie uns doch kurz mal überlegen, wie eine Volksabstimmung ausgehen würde zu der Frage, ob Deutschland wieder eine Fußball-WM ausrichten soll." Die Frage bleibt als rhetorische Frage im Raum stehen.

Aber Schmidt will noch einmal auf die Werte zurück, die der Sport vermitteln soll und die ihm wichtig sind. Also nennt er ein Gegenbeispiel. "Natürlich ist es cool, wenn Herr Aubameyang hier in Dortmund im Lamborghini rumfährt, aber das ist ja kein Vorbild für die meisten", sagt er. Und er hofft wohl selbst, dass er Recht hat.

(klü)
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