Astanas Tour-Start erzeugt Frust "Da fällt mir nur das F-Wort ein"

Utrecht · Im Jahr 2014 gab es fünf positive Dopingtests im Umfeld des kasachischen Teams Astana, dennoch geht die Equipe von Titelverteidiger Vincenzo Nibali bei der Tour de France an den Start. Ein schlechtes Zeichen.

 Der Start von Astana ist den übrigen Teams ein Dorn im Auge.

Der Start von Astana ist den übrigen Teams ein Dorn im Auge.

Foto: dpa, sn sam

Das Treiben auf dem Parkplatz des Astana-Teamhotels in Utrecht erweckte den Anschein der Normalität. Im Morgenlicht polierten Helfer die himmelblauen Mannschaftswagen der kasachischen Equipe auf Hochglanz, Mechaniker justierten High-Tech-Rennräder mit geschickten Handgriffen - Vorbereitungen auf den Grand Depart der 102. Tour de France am Samstag in den Niederlanden.

Normal sind diese alltäglichen Arbeiten im Falle Astana bei der Frankreich-Rundfahrt allerdings nicht, denn die Mannschaft des italienischen Titelverteidigers Vincenzo Nibali sollte gar nicht da sein. Fünf positive Dopingtests gab es im Vorjahr im Umfeld des Teams, das vom höchst umstrittenen Alexander Winokurow geleitet wird. Der fuhr einst bei der Tour mit Jan Ullrich um die Wette, wurde des Blutdopings überführt, und ist doch wie selbstverständlich Teil der Großen Schleife - als wäre nichts gewesen.

Der Weltverband UCI, der sich unter neuer Führung gern als Vorreiter im Anti-Doping-Kampf verkauft, strebte einen Ausschluss Astanas aus der World-Tour an. Es kam zu Beweisaufnahmen und Anhörungen, passiert ist letztlich wenig. Astana steht unter Beobachtung, behielt aber seine Lizenz. Ein Skandal. "Da fällt mir nur noch das F-Wort im Englischen oder das S-Wort im Deutschen ein", kommentierte Rudolf Scharping, Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR).

Zeitfahr-Ass Tony Martin vertritt eine Meinung, die unter den deutschen Radprofis weit verbreitet ist. "Es gibt ein paar fragwürdige Gestalten in diesem Team", so Martin. Dass sie bei der Tour starteten, sei kein gutes Zeichen für den Radsport.

Zweifel begleiten die Astana-Mannschaft, so wie sie die Tour und den gesamten Radsport begleiten. Und so liegt Martin richtig, wenn er sagt, dass "mit Sicherheit hinter jedem Sieg eines Astana-Fahrers ein großes Fragezeichen sein wird".

Dass Astana beim Giro d'Italia im Mai in den Bergen stets die meisten Fahrer an der Spitze hatte und der Italiener Fabio Aru nach einem Leistungstief zum Ende hin plötzlich wiedererstarkt die Anstiege hinaufflog, passt ins Bild. "Es war ganz große Kunst, was die Jungs da gemacht haben - wie auch immer", sagte Martin.

Bei den deutschen Radfahrern, die seit Jahren um ein besseres Image kämpfen, mischen sich Ratlosigkeit und Wut. "Man fragt sich, was muss noch passieren, damit die Lizenz entzogen wird", sagte etwa Top-Sprinter Andre Greipel. Simon Geschke, der für das deutsche Team Giant-Alpecin fährt und sich in Utrecht das Hotel mit Astana teilt, hofft, "dass sie genug kontrolliert werden".

Kritik äußerte auch Ex-Profi Jörg Jaksche, der sich als Doping-Kronzeuge einen Namen gemacht hat. "Es gibt Teams, die versuchen, sauber und transparent zu leben und es gibt Teams wie Katjuscha und Astana, die es einfach nicht interessiert, die nur erfolgreich sein wollen", sagte er im ARD-Hörfunk.

Doping-Experten wie Perikles Simon kritisieren vor allem, dass frühere Doper wie im Fall Winokurow leitende Funktionen bekleiden. "Wenn die Teamleiter selber erlebt haben, wieviel schneller man mit einer sechswöchigen Epo-Kur fährt, wären sie doch verrückt, jetzt darauf zu verzichten", sagte Simon dem SID. Doping sei ein Lebenselixier.

Astana und seine Führung dürften solche Aussagen kaum interessieren. Am Donnerstagabend nahm die Mannschaft an der bunten Teampräsentation teil und schipperte mit einem Boot durch Utrecht.
Die ausgelassene Stimmung war mit nichts zu begründen.

(sid)
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