Tour de France Greipel besiegt den Regen

Neeltje · Tony Martin verpasst knapp das Gelbe Trikot. Die ersten beiden Tage waren von Hitze und Regen geprägt.

Tour de France: André Greipel gewinnt zweite Etappe
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Greipel gewinnt zweite Etappe

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Um Punkt 14 Uhr kommt Bewegung ins Feld. Ausreißer suchen ihr Heil, Verfolger eilen hinterher. Einige Akteure zeigen ungeahntes Beschleunigungsvermögen, als die ersten Regentropfen auf die niederländische Insel Schouwen-Duiveland fallen. Die Sommerfrischler am Strand von Nieuw Haamstede entwickeln mit einem Mal fast so viel Energie wie die Radprofis, die die Tour de France ein paar Stunden später hier entlang führen wird. Aus dem Höchst-Sommer des Samstags wird am Sonntagnachmittag eine gewöhnliche Nordsee-Wetterlage. Mit Wind und Regen.

Tour de France: André Greipel schlüpft ins Grüne Trikot
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Greipel schlüpft ins Grüne Trikot

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Sechs Stunden, bevor das Feld der Rennfahrer sich dem Ziel auf der Insel Neeltje Jans in der Oosterschelde nähert, haben die ersten Fans am Straßenrand Position bezogen. Mit Tablet-Computern, auf denen sie das Rennen verfolgen, mit Wein und Bier, Käse und Wurst und mit Sonnenschirmen, die im Gewitter auch als Regenschirme leidlich ihren Dienst tun. Das Wetter spielt eine große Rolle zu Beginn der 102. Tour de France. Die Böen zerpflückten am Sonntag das Feld auf der im Vorfeld trügerisch harmlos aussehenden zweiten Etappe von Utrecht an die Nordsee. Andre Greipel aus Hürth bei Köln behauptete sich. Er setzte sich im Sprint einer 20-köpfigen Ausreißergruppe um Reifenbreiten gegen den Slowaken Peter Sagan durch. Auf Platz drei kam der auf den letzten Metern entfesselt auftrumpfende Schweizer Fabian Cancellara, der sich dank der dafür fälligen Zeitgutschrift von vier Sekunden das Gelbe Trikot holte. Mit drei Sekunden Vorsprung auf Tony Martin, der in der Fluchtgruppe viel Arbeit leistete, tritt er heute zum dritten Teilstück an. "Das ist sehr sehr bitter", klagte Martin über den knappen Rückstand. Wie gern hätte er erstmals Gelb getragen.

Siebter Etappensieg für Greipel

Für Greipel war es der siebte Tour-Etappensieg. In der Rangliste der deutschen Radsportler stehen nur noch Erik Zabel (zwölf), Rudi Altig und der von seinem Team diesmal nicht nominierte Marcel Kittel (je acht) vor ihm. "Andreeee", brüllt ein Fan, als Greipel über die Ziellinie rauscht. An der Marke der Bierdosen und den Streifen auf seiner Mütze ist er als Belgier zu erkennen. In der Heimat seines Teams ist "Der Gorilla", wie der muskulöse Greipel genannt wird, populärer als in seinem Heimatland. "Wenn ich in Belgien in eine Kneipe gehe, erkennt mich jeder", sagt er, "in Deutschland praktisch niemand."

Auf 37 Grad kletterten die Temperaturen am Samstag, als sich der Tross in Utrecht auf den mehr als 3000 Kilometer langen Weg macht, der am 26. Juli auf den Champs-Elysees in Paris endet. Solch eine Hitze ist beim wichtigsten Radsportereignis der Welt nicht außergewöhnlich, wird aber gemeinhin erst erreicht, wenn es durch die Glutöfen im Süden Frankreichs geht.

Tour de France: Tony Martin fährt am Gelben Trikot vorbei
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Auftakt-Zeitfahren: Tony Martin fährt am Gelben Trikot vorbei

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Erstes Hitzeopfer war Tony Martin aus Eschborn. Ein halbes Jahr lang hatte er sich auf diesen Tag vorbereitet. Als bester Zeitfahrer war das Feld für ihn bestellt. Als hoher Favorit war der 30-Jährige in den 13,8 Kilometer langen Kampf gegen die Uhr gegangen, als Geschlagener war er angekommen. Martin räumte auf mit der Legende, dass ja auch der zweite Platz aller Ehren wert sei. "Zweite Plätze zählen für mich nicht", giftete er. Der Tagessieg hätte ihm das Gelbe Trikot gebracht, doch es wurde nur Grün. Als Trostpreis durfte er das Trikot des Punktbesten nach Zeeland transportieren. Weil der Australier Rohan Denis nicht Gelb und Grün tragen konnte, die er sich mit seinem Sieg erkämpft hatte. Die Hitze hatte Martin "abgetötet", wie er gestand. Dass ihm ein übergeschnappter Zuschauer noch einen Plastikbecher mit Bier ins Rennrad geworfen hatte, war ärgerlich, aber keine Entschuldigung für den Rückstand von fünf Sekunden.

Martin ist zwar vielseitig, hat schon in den Vogesen und am Mont Ventoux seine Klasse gezeigt. Doch es kommt kein Einzelzeitfahren mehr, seine Spezialdisziplin. Außerdem muss er im Team für Sprinter Mark Cavendish arbeiten. Eine Tour-Woche gibt er sich noch, um seine Chance auf die Gesamtführung wahrzunehmen.

350.000 Fans an der Strecke

Auf rund 350.000 schätzte die Polizei die Zahl der Fans an der Strecke durch Utrecht. Sie warfen nicht nur mit Pils, sie tranken es auch. Sie kauften die Eistheken der Läden leer und genossen die Abkühlung, die ihnen Anwohner bescherten, in dem sie ihre Rasensprenger auf die Bürgersteige richteten.

Vor den Fahrern liegen nun zwei tückische Etappen. Nachdem am Sonntag der Brouwersdam mit sechs Metern Seehöhe die beeindruckendste Erhebung war, führt der Schlussanstieg am Montag über einen 1,3 Kilometer langen und im Schnitt 9,6 Prozent steilen Anstieg auf die vom Frühjahrsrennen Fleche Wallone bekannte Mauer von Huy. Am Dienstag geht es über Kopfsteinpflasterpassagen. Seit John Degenkolb im April als erster Deutscher seit 1896 den Klassiker Paris-Roubaix in der "Hölle des Nordens" gewann, gilt er als Sieganwärter.

(RP)
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