Radsport Tony Martin wird zum vierten Mal Zeitfahr-Weltmeister

Doha · Tony Martin kämpfte in der Gluthitze von Doha mit weit aufgerissenem Mund um jede Sekunde – und wurde belohnt. Zum vierten Mal in seiner Karriere ist der 31-Jährige Weltmeister im Einzelzeitfahren.

Tony Martin im Zeitfahren wieder nicht zu schlagen
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Martin im Zeitfahren wieder nicht zu schlagen

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Foto: dpa, ow moa

Tony Martin kämpfte in der Gluthitze von Doha mit weit aufgerissenem Mund um jede Sekunde — und wurde belohnt. Zum vierten Mal in seiner Karriere ist der 31-Jährige Weltmeister im Einzelzeitfahren.

Damit rehabilitierte er sich auch für sein enttäuschendes Abschneiden bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro.

Martin setzte sich bei der Straßenrad-WM in Katar in seiner Paradedisziplin nach 40 Kilometern in 44:42,99 Minuten durch. Durch seinen WM-Triumph zog der gebürtige Cottbuser mit Rekordtitelträger Fabian Cancellara (Schweiz) gleich. Nach den Siegen 2011, 2012 und 2013 ist dieser Erfolg aber besonders wertvoll, hatte Martin doch zuletzt mehrere herbe Enttäuschungen erlebt. Mit sieben Medaillen ist er nun der erfolgsreichste Fahrer in der WM-Zeitfahrgeschichte.

Martin kam sehr gut in den Wettkampf, bei der ersten Zwischenzeit nach 13,6 km lag er knapp vor Titelverteidiger Wasil Kirijienka (Weißrussland) in Führung. Den Vorsprung baute er beständig aus, bereits am zweiten Messpunkt nach 26,7 km gab es kaum noch Zweifel an Martins Sieg. Im Ziel kannte der Jubel keine Grenzen. Kirijienka blieb nur Rang zwei, der Spanier Jonathan Castroviejo wurde Dritter.

Unwürdige Kulisse

Auch von der wieder einmal trostlosen und WM-unwürdigen Atmosphäre mit sehr spärlichem Zuschauerinteresse ließ sich der Deutsche nicht irritieren. Wie ein Uhrwerk arbeitete Martin auf dem flachen Kurs und dominierte wie lange nicht. Auf die Hitze hatte Martin sich ohnehin bereits daheim im "eigenen Klimastudio" mit Rollentraining vor einem Heizlüfter eingestimmt.

In den Tagen von Doha wirkte Martin gelöst, auch noch wenige Minuten vor seinem Start lächelte er in die Fernsehkamera. Dann legte Martin seine Kühlweste ab, die er trug, um nicht schon vor dem Rennen zu überhitzen. Entschlossen sah er aus, als er mit kraftvollen Tritten die Startrampe verließ. Motiviert hatte ihn auch die Goldmedaille im WM-Mannschaftszeitfahren am Sonntag mit Etixx-Quick Step an der Seite von Marcel Kittel.

In Abwesenheit von Cancellara, der seine Karriere nach dem Zeitfahr-Olympiasieg von Rio austrudeln lässt, war Martin hoch gehandelt worden. Er selbst hatte allerdings die Erwartungen nach einer bislang weitgehend enttäuschenden Saison heruntergeschraubt. "Ich bin mit Prognosen zurückhaltend", meinte Martin. Der "Tiefpunkt", wie er sagte, war das olympische Zeitfahren, in dem er indiskutable 3:18 Minuten hinter Cancellara lag.

Danach kehrte der Wahl-Schweizer zu Altbewährtem zurück. Er baute seine Sitzposition auf der Spezialmaschine wieder zurück auf die seiner erfolgreichen Jahre. Nach dem siebten Platz im Vorjahr bei der WM in Richmond/USA hatte Martin für eine noch bessere Aerodynamik ein Experiment mit einer neuen Fahrhaltung gewagt. Das ging jedoch zu Lasten seiner Gesamtleistung. "Es bringt nichts, wenn man 20 Watt im Wind spart, aber 50 Watt weniger auf die Pedale bringt", hatte Martin erklärt.

Die Kritik an der WM in Katar hält indes unvermindert an. Für Top-Sprinter André Greipel ist die Austragung im Wüstenstaat eine vollkommen unsinnige Entscheidung. "Man hätte früher nachdenken sollen, bevor die Gelder geflossen sind, wohin man die WM vergibt, damit man die Gesundheit der Sportler nicht aufs Spiel setzt", sagte der Rostocker der Sport Bild. Die Bedingungen seien unzumutbar: "Direkt über dem Asphalt herrschen Temperaturen von 60 Grad."

Martin teilt diese Ansicht. "Alle wissen, warum die WM hier ist: Geld regiert die Welt", sagte der 31-Jährige vor seinem Zeitfahr-Start. Zumindest sportlich war für ihn das Rennen dann aber ein Riesenerfolg.

(SID)
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