Radsport Immer weniger Radrennen in Deutschland

Neuss · In den zwei Wochen nach der Tour de France finden viele Rennen statt - doch in Deutschland nimmt die Zahl ab. In Belgien und den Niederlanden gibt es für die Profis mehr zu verdienen. Die Tour de Neuss trotzt dem Trend.

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Die Tour de Neuss 2015

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Foto: Woitschützke, Andreas

Die Augen von Dennis Clotten strahlten: "Für uns ist das Ansporn und Auszeichnung, bei solch einem Rennen starten zu dürfen." Seit dem zwölften Lebensjahr fährt der Pulheimer Rennen, die Namen tragen wie Großer Preis der AEG Nähmaschinen in Leimersheim oder Großer Silber Pils Preis in Bellheim. Mit den Großen des Radsports kommt der 22-Jährige da nicht in Berührung, auch fünfstellige Zuschauerzahlen werden nicht erreicht.

In Neuss war das am Mittwochabend anders. Da stand Clotten in einer Reihe mit einem Trio am Start, das drei Tage zuvor in Paris über den Zielstrich der Tour de France gerollt war: Marcel Sieberg, Paul Voss und der Deutsche Straßenmeister Emanuel Buchmann. Dahinter steckt ein Konzept: "Wir wollen nicht nur Stars präsentieren, sondern den jungen Fahrern aus der Region eine Plattform bieten", sagt Andreas Kappes. Der 49-Jährige, immer noch der erfolgreichste deutsche Sechstagefahrer, selbst bei Tour de France und Giro d'Italia dabeigewesen, kümmert sich als Sportlicher Leiter um die Fahrerverpflichtung bei der "Tour de Neuss".

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Foto: ap, PDJ

In den Jahren, als Jan Ullrich, Erik Zabel und Co. für einen "Radsportboom" in Deutschland sorgten, gab es solche Rennen im Dutzend, in der Woche nach Ende der Tour de France stand jeden Abend irgendwo eines auf dem Programm, auch und gerade am Niederrhein. Die "Tour de Neuss" hat als einzige überlebt. "Weil wir nicht von ein, zwei großen Sponsoren abhängig sind, sondern unseren Etat durch ein paar mittlere und ganz viele kleine finanzieren", sagt Stephan Hilgers, Vorsitzender des Neusser Radfahrervereins. Der NRV hat gerade mal 40 Mitglieder, die alle bei Vorbereitung und Organisation der Tour helfen.

Doch trotz dieses Alleinstellungsmerkmals ist das Geschäft nicht einfacher geworden, im Gegenteil. Fahrer wie Erik Zabel oder Jens Voigt, die 2003 und 2004 in Neuss siegten, könnte sich der NRV heute nicht mehr leisten - wenn es sie denn noch gäbe. Auch Sprinterkönig André Greipel, der als bisher einziger zwei Mal gewann (2011, 2013), fährt inzwischen lieber in Belgien oder den Niederlanden.

Dort locken Gagen, die sich die wenigen deutschen Veranstalter kaum leisten können, oft finanziert durch einen simplen Trick: Die Radsportfans zahlen für ihren Platz hinterm Absperrgitter. "Teilweise bis zu 15 Euro", weiß Andreas Kappes. Hochgerechnet auf die 10 000 Zuschauer, die in Neuss den Rundkurs säumten, ließe sich damit komfortabel wirtschaften. So aber musste der NRV trotz Zusage auf den fest eingeplanten Simon Geschke verzichten - der Berliner forderte nach seinem Sieg auf der 17. Tour-Etappe plötzlich das Vierfache der zuvor ausgehandelten Gage und fuhr stattdessen lieber in Holland.

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Foto: ap, PDJ TH

Den Zuschauern war es letztlich egal. Sie sahen einen sensationellen Soloritt von Paul Voss, der die letzten sieben Runden alleine fuhr und überlegen vor dem deutschen Vizemeister Nikias Arndt und Patrick Gretsch siegte. Nicht mal ein schwerer Sturz, nach dem Paul Martens, als 75. zweitbester Deutscher bei der Tour, mit Gehirnerschütterung ins Krankenhaus musste, trübte die Stimmung. Bei Dennis Clotten schon gar nicht - er kam nach den 80 Kilometern als 22. ins Ziel.

(RP)
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