Frauen-Power bei den Paralympics Die letzte Medaille für die deutschen Männer gab es 2010

Pyeongchang · Zwölf Medaillen hat Deutschland bis Mittwoch bei den Paralympics in Pyeongchang gewonnen. Alle durch Frauen. Sportler und Funktionäre versuchen zu erklären, warum dies so ist.

Paralympics 2022: Alle deutschen Medaillen-Gewinner - Gold, Silber, Bronze
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Alle deutschen Medaillen-Gewinner

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Foto: dpa, kjh

Martin Härtl darf sich derzeit als etwas ganz Besonderes fühlen. Der 43-Jährige ist der einzige Mann im deutschen Paralympics-Team von Pyeongchang, der eine Medaille um den Hals trägt. Die Ehre seiner Geschlechtsgenossen rettet Härtl damit aber nicht. Denn er ist der Begleitläufer von Clara Klug, die gewonnene Bronze-Medaille im Zehn-Kilometer-Rennen der Biathleten geht für sie in die Statistik ein.

Und dies ist für die deutschen Männer ernüchternd, ja peinlich. Alle zwölf deutschen Medaillen in Pyeongchang wurden von Frauen gewonnen - wie übrigens schon vor vier Jahren in Sotschi, als keiner der 15 Podestplätze von einem Mann errungen wurde. 27:0 steht es damit nun für die Frauen nach 2010. Damals holte Winter-Rekordsieger Gerd Schönfelder in Vancouver die letzte deutsche Männer-Medaille.

"Das ist halt Mädelspower", sagt Klug mit einem breiten Grinsen. Und auch Friedhelm Julius Beucher, der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes, stellt mit einem Lachen fest: "Wir erleben bei uns Frauen-Power in einer Verstetigung von besonderem Maße." Chef de Mission Karl Quade sagt: "Wir haben in Deutschland Gleichberechtigung. Uns ist egal, von wem die Medaillen kommen. Aber wir sind mächtig stolz auf unsere Frauen."

Auf die Frage, woher die Diskrepanz kommt, gibt es keine klare Antwort. Allenfalls Ansätze. "Bei den Männern hatten wir einen harten Generationswechsel", sagt Beucher. "Bei den Frauen konnten sich viele langsam in die Weltklasse reinarbeiten." Auf die Frage, ob die Frauen damit Vorbild für die Männer werden können, antwortet Beucher: "Das sind sie längst."

Die Athletinnen nehmen ihre Kollegen in Schutz. "Die Jungs haben ein viel größeres Feld", sagt Anna-Lena Forster, Gold-Gewinnerin in der Super-Kombi. Biathlon-Siegerin Andrea Eskau glaubt, "dass der Vergleich wegen der unterschiedlichen Starterzahlen hinkt". Während Forster und die siebenfache Paralympics-Siegerin Anna Schaffelhuber gegen nur sechs weitere Rivalinnen antreten mussten und Klug ihr Bronze in einem Sechser-Feld gewann, starten bei den männlichen Monoski-Fahrern in Südkorea mehr als 30 Athleten. "Da musst du mehr riskieren", sagt Schönfelder. "Und dann machst du einen Fehler und bist weg."

Manche sehen auch in der gesellschaftlichen Entwicklung einen Grund für das auffällig gute Abschneiden der Frauen. "Ein Ansatz ist vielleicht, dass es behinderte Frauen in manch anderen Ländern schwerer haben, gesellschaftliche Anerkennung zu finden oder bestimmte Dinge des Lebens zu vereinen", sagt Ralf Rombach, Bundestrainer der nordischen Athleten. "Und da dies bei uns gewährleistet ist, haben wir im Frauen-Bereich Vorteile."

Darüber, ob die Männer bis zum Abschluss der Spiele am Sonntag noch liefern, herrscht Uneinigkeit. "Ich bin sicher, dass sie noch Medaillen holen", sagt Schaffelhuber. Und auch Forster glaubt: "Die Jungs haben Stärken, die werden sie schon noch zeigen."

Quade fürchtet derweil, "dass es gendermäßig wieder ein Sotschi-Ergebnis geben könnte" - also ohne Männer-Medaille. Auch Schönfelder, heute Co-Trainer des Alpin-Teams, erklärt: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass von den Alpinen hier noch jemand eine Medaille gewinnt. Selbst für Peking 2022 könnte es eng werden." Und Rombach gibt auch für die nordischen Männer eine skeptische Prognose ab: "Wir haben niemanden, der das Niveau hat. Und das könnte in den nächsten Jahren durchaus so bleiben."

DBS-Pressechefin Marketa Marzoli hat übrigens eine durchaus charmante Erklärung für das statistische Ungleichgewicht. Sie sagt: "Die Frauen sind nur deshalb so gut, weil sie starke Männer hinter sich haben."

(dpa)
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