20 Deutsche sind dabei Die Paralympics fangen an

Vancouver (RP). Die blinde Langläuferin und Biathletin Verena Bentele kämpfte sich nach einem schmerzhaften Jahr zurück in den Sport und startet bei den Weltspielen der Behinderten. 20 deutsche Athleten treten in Kanada an.

 Mitleid ist das Wort, das Verena Bentele grundsätzlich nicht benutzt.

Mitleid ist das Wort, das Verena Bentele grundsätzlich nicht benutzt.

Foto: ddp, ddp

Mitleid ist das Wort, das Verena Bentele grundsätzlich nicht benutzt. Warum auch? Sie ist fröhlich, selbstbewusst, der Star der weiblichen Biathleten und topfit, wie sie sagt. Und sie wäre auch eine Gewinnerin, wenn es diesen Unfall am 10. Januar 2009 nicht gegeben und sie sich nicht auf eindrucksvolle Weise zurückgekämpft hätte. Sieben Mal Gold hat die 28-Jährige bei drei Paralympics-Teilnahmen bereits gewonnen. Es erübrigt sich fast zu sagen, dass sie auch in Kanada Favoritin ist. Doch es kommen Fragen. In den Tagen von Vancouver wird sie häufiger als zuletzt mit den Erlebnissen des Unfalls konfrontiert werden.

Es ist der Tag der Deutschen Meisterschaften der Menschen mit Handicap in Nesselwang. Bentele und ihr damaliger Begleitläufer sind Titelanwärter. Doch das Ziel erreichen sie nicht. Warum, darüber sind später unterschiedliche Versionen zu hören.

Bentele spricht von einem Kommunikationsproblem. Die 28-Jährige ist von Geburt an blind und benötigt deshalb einen Helfer, der ihr Kommandos gibt und sagt, wohin sie fahren muss. An diesem Tag aber verpasst sie die Kurve und fällt einen Abhang hinunter. Die Folgen sind verheerend: Kreuzbandriss, beschädigte Kapseln an Finger und Daumen, Hämatome und Prellungen am ganzen Körper, eine Leberverletzung und eine Unterversorgung der rechten Niere, die sie später sogar das Organ kostete.

All das erzählt Bentele inzwischen überraschend emotionslos. "Ich habe mich gut erholt", sagt sie, "aber ich war lange nicht sicher, ob ich überhaupt noch mal Sport treiben will." Die körperlichen Schäden waren irgendwann verheilt. Die seelischen Schmerzen blieben. "Klar hab ich ans Aufhören gedacht. Aber wenn man eines durch den Sport lernt, dann, dass man auch auf die Zähne beißen muss."

Wochenlang kämpfte sie mit sich. Sie hatte sich auf dem elterlichen Bauernhof am Bodensee eingeigelt, weil sie jenen Antrieb verloren hatte, der sie menschlich so stark und sportlich so erfolgreich hatte werden lassen. Doch Freunde, Familie und Teamkollegen seien "in dieser schweren Zeit" wichtige Motivatoren gewesen. "Anfang Mai war sie wieder da, die Lust auf Sport", erinnert sich Bentele. Sie beginnt mit dem Training. Dazu sucht sie Hilfe bei einer Sportpsychologin. Im Herbst dann reift bei der Literaturstudentin der Entschluss, noch einmal an den Paralympics teilnehmen zu wollen — weil sie ihre Karriere "mit schönen Erlebnissen beenden will".

Sportlich fit zu werden war für die ehrgeizige Athletin das kleinere Problem. Sie musste wieder vertrauen lernen. "Ich wusste, dass ich nur eine Chance haben würde mit jemandem, dem ich zu hundert Prozent vertrauen kann", sagt Bentele. In Thomas Friedrich hat sie diesen Menschen gefunden: "Die Chemie stimmt, Thomas ist unglaublich wichtig für mich."

Dass beide heute bei der Eröffnungsfeier der zehnten Paralympics ins Stadion von Vancouver einlaufen dürfen, "das ist schon verdammt schön", sagt Bentele. Sie gehört zum 20-köpfigen deutschen Team, das bis 21. März in den Disziplinen Ski alpin, Skilanglauf, Biathlon, Rollstuhl-Curling und Sledge-Eishockey um Medaillen kämpft. Fünf Mal — im Biathlon und Langlauf — geht das Duo Bentele/Friedrich an den Start. Die Vorfreude ist groß: "Ich hab richtig Bock."

Wir bieten ausführliche Informationen von den Paralympics. Stefanie Sandmeier berichtet auch bei rp-online.de mit Textbeiträgen, Bildern und Videos.

(RP)
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