Olympiapfarrer Thomas Weber Seelsorger der Besten

Gevelsberg · Der Gevelsberger Thomas Weber ist evangelischer Olympiapfarrer. Der 57-Jährige erzählt, was Spitzenathleten beschäftigt, warum Leistungssport für Trainer ein Beziehungskiller sein kann und wie er die jüngste Strafe für Russland findet.

 Olympiapfarrer Thomas Weber (2.v.l.) bei den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi.

Olympiapfarrer Thomas Weber (2.v.l.) bei den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi.

Foto: Privat

Und dann erzählt Thomas Weber die Geschichte von der Athletin, die Weihnachten mal Gottesdienstbesuche auf Vorrat sammelte. Die Geschichte ist ihm wichtig. "Mir hat mal eine Sportlerin schmunzelnd erzählt, das mit ihrer Konfirmation sei gar nicht so einfach gewesen. Denn der Pfarrer hätte ihr gesagt, er könne sie nur konfirmieren, wenn sie eine gewisse Anzahl von Gottesdienstbesuchen nachweise. Weil sie an den Wochenenden aber nun mal ihre Wettkämpfe hatte, ist sie dann in einem Jahr über Weihnachten sieben Mal im Gottesdienst gewesen und hat Unterschriften als Nachweise gesammelt", erzählt Weber.

"Das sagt mir, dass wir als Kirche mit Blick auf Sportler nicht einfach sagen können, kommt ihr mal zu uns. Nein, wir müssen auch im Sport selbst präsent sein." Weber ist präsent im deutschen Leistungssport. Der 57-Jährige ist seit 2006 Olympiapfarrer der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Als andere nicht wollten, wurde er gefragt. Und wollte. Also fuhr er zu den Winterspielen nach Turin. Und seitdem zu allen Olympischen Spielen, im Februar geht es nach Pyeongchang. Weber ist Olympiaseelsorger mit Leib und Seele. "Aber ich bin mit Leib und Seele auch Gemeindepfarrer", sagt er. In Gevelsberg. An der Basis. Bei denen, die sich als Zuschauer für Sport begeistern sollen. "Den Eindruck einer Glaubwürdigkeitskrise im Sport kann ich voll und ganz bestätigen. Viele meiner Gemeindemitglieder sagen zum Beispiel, sie gucken sich das alles gar nicht mehr im Fernsehen an", erzählt Weber.

"Zerbrechen von Partnerschaften ein großes Problem"

Da müsse ein Selbstreinigungsprozess her - um des Sports willen. Und da findet er die jüngste Gründung eines eigenen Athletenvereins gut, findet gut, "dass Athleten ihre Interessen stärker vertreten wollen. Denn natürlich sollen die Sportler im Mittelpunkt stehen und gehört werden, bevor sie den Eindruck gewinnen, sie seien nur Mittel zum Zweck".

Weber hat zwei Themenbereiche ausgemacht, über die Olympiateilnehmer immer wieder mit ihm sprechen wollen. "Die Gedanken, die die Athleten als junge Menschen umtreiben und mir gegenüber äußern, betreffen in erster Linie die eigene Laufbahn. Wie kann ich vom Sport leben? Was passiert, wenn ich mich verletze? Was passiert nach der Karriere? Die Gedanken von Trainern und Funktionären betreffen dagegen oft das Private. So ist das Zerbrechen von Partnerschaften ein großes Problem im Sport. Wenn man das ganze Jahr unterwegs ist, wie soll man da ein funktionierendes Familienleben führen?"

Zweifelsohne ist aber auch Doping ein großes Thema. Auch in den Gesprächen, die Weber mit Athleten führt. "Ich kann verstehen, wenn viele Sportler hier in Deutschland den Eindruck haben, ihre Leistung geht in der generellen Dopingdiskussion völlig unter. Da gilt inzwischen ein Pauschalverdacht." Es ist ein Pauschalverdacht, den nicht zuletzt die immer unglaublicher klingenden Berichte über den staatlichen Dopingskandal in Russland befeuern.

"Sportler aus aller Welt mit ihren Leistungen messen"

Das IOC schloss deshalb Russland als Nation von den Winterspielen in Südkorea aus, erlaubte aber den Start nachweislich sauberer Athleten unter neutraler Flagge. Weber begrüßt das. "Dass Russland als Nation ausgeschlossen wird, finde ich absolut richtig. Gleichzeitig sehe ich es aber auch so wie viele Athleten, dass russische Sportler, die nachweislich sauber sind, die Möglichkeit haben müssen, unter neutraler Flagge teilzunehmen. Denn in der ursprünglichen Idee der Olympischen Spiele der Neuzeit ging es ja darum, dass sich die besten Sportler aus aller Welt mit ihren Leistungen messen, nicht die besten Nationen. Was daraus bis heute geworden ist, ist halt ein Länderwettkampf um Medaillen", sagt der Vater zweier erwachsener Kinder.

2016 in Rio fiel ihm und seinem katholischen Kollegen, Diakon Rolf Faymonville, eine traurige Aufgabe zu: mit dem deutschen Olympiateam den Unfalltod des Kanu-Trainers Stefan Henze zu verarbeiten. "Solch ein Trauerfall bringt natürlich auch Sportler zum Nachdenken über den Sinn des Lebens", sagt Weber. Es gab damals auch einen speziellen Gottesdienst im Deutschen Haus. Man spüre, dass die Sportler froh sind, dass die beiden Seelsorger da seien, berichtete Weber damals.

So wie er in Südkorea da sein wird.

(klü)
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