Südkorea bei den Winterspielen Erfolge auf Eis gebaut

Pyeongchang · Anfang der 1980er-Jahre bringt eine japanische Universitäts-Mannschaft den Shorttrack-Sport nach Südkorea. Längst dominieren die Athleten des Olympia-Gastgebers die Szene der Kufenflitzer. Sie sorgen dafür, dass die Medaillenbilanz stimmt.

Olympia 2018: Lim Hyojun lässt Südkorea jubeln
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Lim Hyojun lässt Südkorea jubeln

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Man muss den Geräuschpegel in der Eis-Arena in Gangneung hören, um zu verstehen, was die Shorttracker derzeit für Südkorea bedeuten. In der 12.000 Zuschauer fassenden Sportarena herrscht nur eine gemäßigte Stimmung, solange kein heimischer Athlet auf dem Eis steht. Dann, zum Beispiel am Samstag beim ersten Auftritt von Lim Hyo-jun, kreischte, brüllte, klatschte und trampelte es. Als der 21-Jährige über 1500 Meter auch noch das erste Gold für Olympia-Gastgeber Südkorea einfuhr, kamen Tränen dazu. Die Ehre gerettet, oder der Anfang von was ganz Großem?

Südkorea und Wintersport stehen in einem seltsamen Verhältnis zueinander. Dieser Tage, während im Land die Olympischen Spiele stattfinden, mag das nicht so sehr auffallen, denn die inländischen TV-Kanäle sind voll mit Sportprogrammen, und die Leute in den Bars und auf der Straße sprechen immer wieder von den Wettbewerben.

Aber eigentlich blickt das Land, zumal angesichts seiner eisig kalten Winter, nicht gerade auf wintersportliche Tradition zurück. Dass Pyeongchang vor sieben Jahren die Austragung der Spiele zugesprochen bekam, geschah nicht ohne Hintergedanken: Das Internationalen Olympischen Komitee wünschte sich, dass in Korea ein Wintersportboom ausbricht. Und wenn jetzt jemand mit Erfolgen dazu beitragen kann, dann sind es die Shorttracker.

Im ewigen Medaillenspiegel der Olympischen Winterspiele stand Südkorea vor Beginn der Spiele von Pyeongchang auf Rang 15, hinter kleineren oder wärmeren Ländern wie den Niederlanden und Italien. Bei 17 Olympiateilnahmen holten die Südkoreaner bis dahin 26 Gold-, 17 Silber- und zehn Bronzemedaillen. Nur: Lässt man Eisschnelllauf und Shorttrack einmal außer Acht, bleibt nur noch eine Goldmedaille im Eiskunstlaufen, gewonnen von Kim Yu-na vor acht Jahren in Vancouver. Allerdings trug Kim bei der Eröffnungsfeier die olympische Fackel ins Stadion, aktive Olympionikin ist sie also nicht mehr.

Im Eisschnelllauf sind die Gastgeber bei mehreren Wettbewerben die Favoriten. Der Shorttrack, also Wettkämpfe auf den Strecken zwischen 500 und 5000 Metern, ist in etwa das Äquivalent zum Bogenschießen bei Olympischen Sommerspielen: Solange nichts Außergewöhnliches passiert, gewinnt am Ende immer ein Koreaner. 2014 in Sotschi kamen sieben von acht südkoreanischen Medaillen von den Eisschnellläufern, fünf davon vom Shorttrack. Bei den Asian Games in Sapporo im vergangenen Jahr dominierten auf den kurzen Strecken auch wieder die Koreaner.

Der Aufstieg kam mehr oder weniger abrupt. Live erlebte man Shorttrack erstmals Anfang der 1980er Jahre, als eine Unimannschaft aus Japan für ein Gastspiel in die Hauptstadt Seoul reiste. Zehn Jahre später, 1992 im französischen Wintersportort Albertville, holte ein Athlet namens Kim Ki-hoon auf der 1000-Meter-Strecke schon das erste winterliche Gold für Südkorea. 1994 in Lillehammer errangen die Südkoreaner dann fünfmal Gold und einmal Silber, woraufhin ein Boom ausgelöst wurde. Die ehemaligen Gewinner wurden Trainer, Kinder wollten den Sport ausprobieren. Heute gehört der Eisschnelllauf zu den beliebtesten Disziplinen, sobald es kalt wird.

In Pyeongchang lasten die heimischen Medaillenhoffnungen daher vor allem, oder fast ausschließlich, auf den Schultern dieser Eissprinter. Die 21-jährige Shim Suk-hee etwa hat bereits alle Titel gewonnen. Mit der Staffel (3000 Meter) holte sie im russischen Sotschi schon als 17-Jährige olympisches Gold. Jetzt ist sie das Postermädchen der Spiele. Als sie bei einer der zuletzt zahlreich gewordenen Pressekonferenzen gefragt wurde, ob sie Erfolgsdruck verspüre, behauptete Shim: "Ich bin dankbar für diese Erwartungen. Ich bin auch nicht nervös." Sie konzentriere sich maximal auf ihr Training, damit sie später nichts bereue.

Dass aus den Erwartungen ein bisschen mehr entstanden ist als die reine Dankbarkeit der Athletin, stellte sich aber Mitte Januar raus. Da verkündete die Koreanische Eislaufunion plötzlich, Shims Trainer entlassen zu haben, nachdem dieser seine Hoffnungsträgerin wohl geschlagen hatte. Die Leistungen von Shim, die erst 2017 in Rotterdam die Weltmeistertitel im Mehrkampf und auf der 1000-Meter-Distanz gewonnen hatte, sollen zuletzt etwas nachgelassen haben. In den koreanischen Medien wurde der Vorfall nicht sonderlich intensiv behandelt. Man wollte wohl kein Öl ins Feuer gießen.

Denn falls die Shorttracker um Shim Suk-hee enttäuschen würden, könnte es passieren, dass sich der Gastgeber auf einem Niveau bewegt mit Ländern wie Nigeria oder Malaysia - diese beiden Nationen nehmen in Pyeongchang erstmals an Winterspielen teil, haben daheim aber nicht mal Schnee.

Doch es sieht schon jetzt nicht mehr danach aus. Nach dem ersten Gold von Lim Hyo-jun am Samstag griffen die Südkoreaner am Dienstagabend erneut an. Im Shorttrack-Finale über 500 Meter fuhr die 21-jährige Choi Min-jeong als Zweite ins Ziel, wurde aber disqualifiziert. Kurz darauf sicherte sich Kim Min-seok im Eisschnellauf-Oval im Männer-Wettbewerb über 1500 Meter die Bronzemedaille.

Ein paar Medaillen werden wohl noch kommen. Optimale Bedingungen dürften vor allem die Shorttracker haben. Die Organisatoren haben Kim Ki-hoon, den ersten Goldmedaillengewinner Südkoreas, zum Bürgermeister des olympischen Dorfs erklärt.

(RP)
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