"Habe Schlimmeres erlebt" Paralympics-Aus schockt Wyludda nicht

Die Maskottchen Packi, Rex und Ondon waren bereit. Der Rollstuhl extra umgerüstet. Und die Motivation riesengroß. Doch der Flieger nach Rio de Janeiro hob ohne Ilke Wyludda ab. Ihr stand eine Verletzung im Weg. Wieder einmal.

 Ilke Wyludda hat Tokio 2020 im Blick.

Ilke Wyludda hat Tokio 2020 im Blick.

Foto: dpa

Eigentlich hätte die 47-Jährige, 1996 mit dem Diskus Goldmedaillen-Gewinnerin in Atlanta, die einzige Olympiasiegerin bei den Paralympics in Brasilien (7. bis 18. September) sein sollen. Doch diesmal stoppte sie eine Entzündung in der Schulter. Es ist wie verhext.

Aber Ilke Wyludda hat sich auch bei solchen Dingen einen gewissen Pragmatismus angeeignet. "Es hat sich abgezeichnet, deshalb bin ich nicht enttäuscht", versichert sie im Gespräch mit dem SID: "Das Leben ist kein Wunschkonzert. Wenn es nicht geht, ist es eben so. Dann muss man auf seinen Körper hören. Ich habe schon Schlimmeres erlebt."

Ein Aufgeben kommt für die Kämpferin jedenfalls nicht infrage. "Ich mache auf jeden Fall weiter", verspricht sie: "Man muss schauen, wie man das mit der Schulter in den Griff bekommt. Und dann gibt es eine neue Saison, und dann gibt es auch einen neuen Paralympics-Zyklus. Warum sollte ich nicht 2020 in Tokio starten?" Packi, der kleine Plüschesel, und die Hunde Rex und Ondon werden also wohl in vier Jahren in Tokio zum Einsatz kommen.

Die Wettkämpfe von Rio werde sie sich ohne Wehmut anschauen. Zur Not auch nachts. "Viele Wettbewerbe laufen nachts, also muss ich auch nachts schauen", sagt sie. Ein bisschen muss sie es koordinieren, da sie nun während des Septembers ganz normal als Reha-Ärztin im Klinikum Bergmannstrost in Halle an der Saale arbeitet.

Das Paralympics-Aus ist für Ilke Wyludda bedauerlich, aber auch nicht der größte Rückschlag. Schon in ihrer Karriere als Diskuswerferin wurde sie 15-mal operiert. 1997 saß sie schon einmal für vier Monate im Rollstuhl. 2010 dann der große Schock: Das rechte Bein entzündete sich, nach insgesamt vier Blutvergiftungen musste zunächst der Unterschenkel und dann ein weiteres Stück des rechten Beines amputiert werden musste.

Doch als Medizinerin wusste Wyludda direkt, was die Stunde geschlagen hatte: Das Bein musste weg! "Es stand auf Messer Schneide zwischen Leben und Sterben", sagt sie: "Ich stand vor der Wahl: Entweder das Bein verlieren und weiterleben. Oder nicht mehr leben. Und dafür konnte ich mich noch nicht entscheiden. Deshalb war für mich nur eine Entscheidung möglich."

So, wie diesmal, bei der dann doch verhältnismäßig harmlosen Entscheidung gegen Rio. Ja, "ich hatte viel investiert für Rio", sagt Wyludda. Sie hat sich selbst Sponsoren gesucht, sie hat immer wieder gegen die Schmerzen angekämpft. "Und wenn alles gepasst hätte", sagt sie, "wäre auch sicher eine Medaille drin gewesen".

Es wäre ihre erste paralympische gewesen nach Platz neun in ihrer alten Paradedisziplin mit dem Diskus und Rang fünf mit ihrer neuen Spezialdisziplin Kugelstoßen beim Debüt 2012 in London. Bei der EM 2014 holte sie Silber mit der Kugel und Bronze im Diskuswurf und bei der WM 2015 erneut Kugel-Silber.

Das unbedingte Ziel, Paralympicssiegerin zu werden, hat sie aber "absolut nicht. Es sind zwei unterschiedliche Karrieren", erklärt sie. Aber aufgeben ist nicht ihr Ding.

(sid)
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