Friedhelm Julius Beucher "164.000 Euro für den DFB-Präsidenten sind zu viel"

Düsseldorf · Der Präsident des Deutschen Behindertensportverbands will Ehrenamt und Hauptamt sauber getrennt wissen.

 Friedhelm Julius Beucher während seines Redaktionsbesuchs bei der RP.

Friedhelm Julius Beucher während seines Redaktionsbesuchs bei der RP.

Foto: Endermann

Die Paralympischen Spiele in Rio de Janeiro (7. bis 18. September) werden einer der Höhepunkte des Sportjahres sein. Doch sieben Monate vor dem Beginn der Spiele gibt es einige Probleme. Friedhelm Julius Beucher, der Präsident des Deutschen Behindertensportverbands, diskutierte beim Besuch unserer Redaktion sportpolitische Themen.

Schwangeren wird empfohlen, wegen des Zika-Virus nicht zu den Olympischen Spielen nach Rio de Janeiro zu reisen. Wie ist das mit den Paralympics-Teilnehmern?

Beucher Die Paralympics finden ja nur ein paar Wochen später statt. Das ist ein Problem, denn die Gesundheit der Sportlerinnen geht immer vor. Wir hatten die ersten Meldungen zu gesundheitlichen Problemen durch das fürchterlich schlechte Wasser in der Bucht, von dem unsere Ruderer, Segler und Kanuten betroffen sein werden. Die Alternative kann nur heißen, die Wettbewerbe in einem anderen Ort durchzuführen oder, falls das nicht möglich ist, mit einem Ganzkörperschutz auszutragen, im Neoprenanzug.

Zurück zu Zika: Ist die gesundheitliche Gefahr nicht noch sensibler zu handhaben als bei den Olympischen Spielen?

Beucher Gesundheitsschutz ist für alle gleich. Wenn es nur eine Gefährdung für Schwangere ist, dann ist das eine Herausforderung für unsere Athletinnen. Das ist etwas, wo alle Alarmglocken schrillen. Wir haben ja nicht nur Athletinnen, sondern auch Betreuerinnen. Daher ist es nach den aktuellsten Informationen aus gesundheitlichen Sicherheitsgründen nicht gänzlich auszuschließen, dass aus der geplanten deutschen Delegation jemand die Reise nach Rio nicht antreten wird. Wir müssen die weitere Entwicklung abwarten und uns mit Medizinern und unseren Teamärzten austauschen.

London 2012 war sicher das größte Fest in der Paralympics-Geschichte. Wie wird Rio?

Beucher Das weiß jetzt noch keiner. Aber wir dürfen eine unwahrscheinliche sportliche Begeisterungsfähigkeit erwarten. Daran wird es in Brasilien nicht mangeln. Ernsthafte Sorgen bereiten uns derzeit die Verkehrssituation und die bauliche Situation. Da sind wir noch nicht über den Berg. Bei der Frage "Veranstaltung der kurzen Wege" hat wohl jemand nicht genau hingesehen.

Behindertensport ist Hochleistungssport. Ist er deshalb genauso ein Saustall wie der andere Hochleistungssport?

Beucher Ich würde das nicht verallgemeinern. Wenn man die Kontrollmechanismen lebt, wenn die Prinzipien einheitlich sind und die Regeln des Sports greifen, dann haben wir das Problem nicht. Auch die Paralympics sind längst in der Welt des Leistungssports angekommen, daher haben wir beispielsweise auch eine ungeheure Kontrolldichte im Doping. Nur die konsequente Befolgung von Good-Governance-Regeln hilft aus dem Sumpf der Fifa, des Leichtathletik-Weltverbands IAAF und den teilweisen Vorwürfen gegenüber dem DFB heraus.

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Foto: dpa, Daniel Karmann

Dazu gehört eine klare Definition des Ehrenamts.

Beucher Das Ganze fängt schon beim Ehrenamt an. Sie sehen vor sich den Präsidenten des neuntgrößten Sportverbands von den 62 deutschen Spitzensportverbänden. Meine Aufwandsentschädigung beträgt 500 Euro - im Jahr wohlgemerkt. Das ist eine überschaubare Summe. Die 164.000 Euro, die der DFB seinem zukünftigen Präsidenten zahlen will, sind eine Lohnersatz-Leistung. Das ist kein Ehrenamt mehr.

Wie soll man dann vermeiden, dass im Präsidium nur noch Pensionäre oder Menschen sitzen, die sich so etwas leisten können?

Beucher Indem das Hauptamt gestärkt wird und das Präsidium zum Aufsichtsrat wird - da gibt es noch genügend zu kontrollieren sowie zu repräsentieren.

Wie lautet denn Ihr sportliches Ziel für Rio?

Beucher Da kann ich mit breiter Brust reingehen. Natürlich wollen wir immer gewinnen. Auch wenn es keine Zielvereinbarungen gibt, wollen alle unsere Athletinnen und Athleten in ihren Wettkämpfen so weit wie möglich vorne landen. Bei den Winterspielen in Vancouver 2010 waren wir Erster in der Medaillenwertung, in Sotschi 2014 Zweiter. Bei den Sommerspielen 2012 in London wurden wir Achter der inoffiziellen Medaillenwertung. Gerade die Gastgeberländer rüsten zu den Spielen im eigenen Land immer besonders auf.

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Foto: dpa, fis jhe

Das ist ein Argument für eine neuerliche deutsche Bewerbung um Olympische Spiele und Paralympics.

Beucher Solche Großveranstaltungen bringen eine Nation nach vorn. Die Riesenchance mit Hamburg ist vorbei, aber wir sollten es nicht aufgeben. Der Sport in Deutschland muss sich um Großereignisse bewerben, um auch vor heimischem Publikum seine Leistungsstärke öffentlich zu machen.

Sonst muss er damit leben, dass Olympische Spiele 2028 womöglich in Katar stattfinden.

Beucher Da wollen wir ja nicht hin. Ich würde das als ein fürchterliches Signal empfinden. Das wäre ein weiterer Glaubwürdigkeitsschock. Wir geben einem Land, das die Menschenrechte nicht achtet, ein Alibi. An dieser Stelle muss der Sport politisch werden. Es muss Grenzen geben. Die Kataris kommen ja dann vor Lachen nicht mehr in den Schlaf.

Sie hätten Bayern München also nicht zum Werbevertrag mit dem Doha Airport geraten?

Beucher Das müssen die selbst entscheiden. Im Deutschen Behindertensportverband würde es keine Verträge mit Doha geben. Da würde der Sport zum Handlanger einer menschenverachtenden Politik.

(RP)
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