Verpasste Olympia-Medaillen Vierter!

Düsseldorf · Das knappe Verpassen einer Medaille ist und bleibt undankbar. Einzig der Umgang mit Platz vier ist unterschiedlich. Das beweist der Blick auf einige vierte Plätze deutscher Athleten bei den Olympia in Rio de Janeiro.

Olympia 2016: So unterschiedlich gehen die Athleten mit Platz vier um
Foto: Fotos: dpa (3), Imago / Grafik: Radowski

Er soll ja so undankbar sein, der vierte Platz. Weil man so knapp dran war an einer Medaille. Weil die Leistung eben nur ganz knapp nicht dafür gereicht hat, einen materiellen Beweis seiner Schaffenskraft vorzeigen zu können. Und dann geht es nach Hause, und es scheint gleichgültig, ob auf den Ergebnislisten nun Vierter oder Letzter steht oder ob man einfach im Bett geblieben wäre. Bronze, Silber und Gold liegen in den Koffern anderer Athleten. Einzig die sprichwörtliche Holzmedaille schwirrt im Kopf umher. Der Umgang mit dem Platz ganz nah am Treppchen ist unterschiedlich. Das beweist der Blick auf einige vierte Plätze deutscher Athleten bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro.

Ja, der olympische Leitspruch "Dabei sein ist alles" ist noch existent. Er hat auch in der heutigen Sport-Leistungsgesellschaft Bestand. Unisono erzählen die Sportler aller Länder, wie sehr sie das Erlebnis Olympia schätzen, den Umgang mit ihresgleichen im Athletendorf, die ungezwungene Atmosphäre. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Sportler, egal, ob beruflich oder privat motiviert, haben dasselbe Ziel: gewinnen. Wenn der Wettbewerb startet, geht es nur darum, der Beste zu sein. Darauf arbeiten alle hin. Im entscheidenden Moment das Optimum herausholen. Als Verlierer ohne Medaille nach Hause zurückkehren will keiner. Auch wenn niemand mehr fürchten muss, enthauptet zu werden, so wie es mit den Unterlegenen im Ballspiel der Azteken und Maya bis 1500 nach Christus geschah.

Heute geht es nicht mehr um Leben und Tod, sondern um Selbstwertgefühl, Sportförderung und Werbeverträge. Was moderne Sportler unterscheidet, ist vor allem der Umgang mit dem Ergebnis. Es gibt vermeintlich sympathische Sieger wie Fabian Hambüchen, der sich zum Abschluss seiner Turnerkarriere krönte. Oder vermeintlich schlecht erzogene wie Christoph Harting, der - erstmalig im Glanzlicht stehend - seinen Triumph im Diskuswerfen eigenartig interpretierte. Noch interessanter zu beobachten ist das Verhalten nach einer Niederlage. Viel hat da naturgemäß mit der Erwartungshaltung zu tun. Ein gestürzter Favorit ist als Vierter wohl eher enttäuscht und gereizt als ein Außenseiter, der sich überraschend in die Phalanx der scheinbar Unerreichbaren hereingekämpft hat.

Mihambo happy, Eilers frustriert

"Wenn das dann nicht reicht, dann ist das in Ordnung", sagte Malaika Mihambo, als sie im Weitsprung-Finale mit 6,95 Meter eine neue persönliche Bestleistung aufstellte, das Podest als Vierte aber verpasste. Sie gehört zur Kategorie der Athleten, die sich im Vorhinein nicht wirklich mit dem Gewinn einer Medaille beschäftigt haben. Noch im Januar schien ein Olympiastart aufgrund einer Knieverletzung unmöglich. Das Saison-Aus lag näher als ein Start in Rio. Da fällt es leichter zu akzeptieren, dass das ohnehin favorisierte Trio eben noch besser war.

Joachim Eilers ging hingegen als Bahnrad-Weltmeister ins Keirin-Finale. 0,025 Sekunden - dieser hauchzarte Rückstand trennte ihn schließlich von einer Medaille. Das Ergebnis deckte sich nicht mit seiner Zielvorgabe. So suchte er ein Ventil. Sieger Jason Kenny (Großbritannien) hatte sich einen Fehlstart geleistet, das Rennen musste neu gestartet werden. "Einige hätten nicht mehr dabei sein dürfen. Das ist eigentlich eine Disqualifikation", sagte Eilers in Richtung Kenny.

Weniger offenkundig neidisch reagierte Kunstturnerin Elisabeth Seitz. Das mag auch daran gelegen haben, dass ihre Konkurrentin auf Platz drei eine gute Freundin aus der Heimat ist: Sophie Scheder. "Natürlich freue ich mich für Sophie", sagte Seitz. Ihr Gesichtsausdruck verlieh ihren Worten aber keinen Nachdruck. Scheder tröstete Seitz, ein schönes Bild. "Eigentlich sollte man mich nicht trösten müssen, denn ich bin die viertbeste Turnerin am Stufenbarren auf der Welt", sagte Seitz. Das Wörtchen eigentlich beschreibt deutlich, wie es wirklich um ihre Stimmungslage bestellt war.

Ganz anders gab sich Betty Heidler. Die Hammerwerferin ist entweder eine hollywoodreife Schauspielerin, oder in ihr ruht wahrhaftig eine echte Akzeptanz des vierten Platzes im letzten Wettkampf ihrer Karriere. "Es hätte besser sein können, aber es war jetzt auch nicht so schlecht", sagte Heidler. "Ich bin schon zufrieden." Mit Gelassenheit nahm sie hin, dass sie im letzten Versuch noch abgefangen wurde: "Ich hätte ja auch vorher weiter werfen können."

Das Spektrum im Umgang mit dem verpassten Podestplatz ist breit gefächert. Echte Freude über Rang vier ist aber nicht zu erkennen. Platz vier ist und bleibt eben doch immer undankbar.

(erer)
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