Ausschluss von 68 Leichtathleten bestätigt Olympia ohne die russischen Stars

Lausanne/Düsseldorf · Das höchste Sportgericht bestätigt den Ausschluss von 68 Leichtathleten. Das IOC gerät zwei Wochen vor Beginn der Olympischen Spiele in Rio unter Druck.

Reaktionen zum Ausschluss der russischen Leichtathleten
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Foto: dpa, ko am nic

Thomas Bach wird vermutlich nicht zur Jubelsäge angesetzt haben. Denn ganz in der Nachbarschaft zum Sitz des Internationalen Olympischen Komitees, das der ehemalige deutsche Degenfechter als Präsident anführt, hat der oberste Sportgerichtshof (CAS) ein Urteil gefällt, das Bach und das IOC unter Druck bringt. Der CAS bestätigte in Lausanne die Olympia-Sperre für 68 russische Leichtathleten, die der internationale Leichtathletik-Fachverband (IAAF) ausgesprochen hatte. Bach hatte ausdrücklich erklärt, er werde den Spruch abwarten, ehe das IOC über einen möglichen Ausschluss der gesamten russischen Mannschaft befinden werde. Nun liegt der Ball im Feld des IOC.

Warum bestätigt der CAS die Sperre? Der Sportgerichtshof ist der Ansicht, dass die Sperre rechtmäßig ist, weil die russischen Leichtathleten "gegen die Wettbewerbsbestimmungen verstoßen haben". Ihnen wird systematisches Doping vorgeworfen.

Wie reagieren die Russen? Olympiasiegerin Jelena Issinbajewa spricht von einer "Beerdigung der Leichtathletik". Sportminister Witali Mutko will die nächsten Schritte prüfen. Er sagt: "Dieses beispiellose Urteil erniedrigt den gesamten Sport."

Was wird den Russen vorgeworfen? Der sogenannte McLaren-Bericht der internationalen Anti-Doping-Agentur hat staatlich gelenktes Doping bei den Russen festgestellt. Er weist nach, dass bei den Winterspielen in Sotschi 2014 positive Doping-Proben russischer Athleten vertauscht und gefälscht wurden. Er stellt auch fest, dass zwischen 2012 und 2015 außerdem 643 positive Proben in 30 Sportarten aussortiert wurden - das betrifft allerdings nicht nur russische Sportler. Auf Grundlage des Berichts hat der Sportgerichtshof den Einspruch der russischen Leichtathleten gegen die Sperre abgewiesen. Und der Bericht wird Grundlage der Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees sein.

Was entscheidet das IOC? Präsident Bach und seine Kollegen müssen darüber befinden, ob sie die gesamte russische Mannschaft, Teile oder nur die Leichtathleten von den Olympischen Sommerspielen in Rio de Janeiro ausschließen. Das größte Sportfest der Welt beginnt am 5. August.

Was erwarten die Verbände? Namentlich die deutschen Sportverbände erinnern Bach daran, was er nach der Vorlage des McLaren-Berichts sagte. "Das IOC wird nicht zögern, die härtesten Sanktionen gegen jede beteiligte Person oder Organisation zu treffen", hatte der IOC-Präsident erklärt. Deshalb stellt Clemens Prokop, der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbands, fest: "Ich gehe davon aus, dass das IOC einen Ausschluss beschließen wird." Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, betont: "Damit ist die Grundlage geschaffen, die härtesten Sanktionen gegen dieses Betrugssystem auszusprechen. Wer gegen die gemeinsamen Spielregeln verstößt, der gehört auf die Strafbank."

Was sagt die Politik? Dagmar Freitag, die Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses, findet: "Das Urteil ist ein unmissverständlicher Fingerzeig für das IOC. Die Fakten liegen auf dem Tisch. Das IOC kann nicht mehr länger auf andauernde Entscheidungsfindungen Dritter verweisen." Vorher hatte sie gesagt: "Wir brauchen einen Präsidenten, der Führungsstärke zeigt."

Was kann das IOC tun? Es kann Teile der russischen Mannschaft für die Olympischen Spiele in Rio sperren. DOSB-Chef Hörmann ist dafür. "Ich würde die 20 Sportarten ausschließen, in denen man Russland systematisches Doping nachgewiesen hat", sagt der deutsche Funktionär. Der McLaren-Bericht nenne 20 der 28 Sommersportarten und lege "zumindest einzelne klare Beweise für Doping vor". Das IOC kann sich aber auch lediglich der Entscheidung des CAS und des Leichtathletik-Verbands anschließen und nur die Leichtathleten sperren. Es kann die Geschichte auch an die Einzelverbände zurückverweisen. Der Heidelberger Sportrechtler Michael Lehner hält es für "Feigheit vor dem Feind, wenn das IOC den internationalen Verbänden die Verantwortung für die Aussiebung von russischen Athleten gibt".

Kann es Olympische Spiele ohne die russische Mannschaft geben? Zweifellos. Viele Verbandsvertreter erwarten jetzt, dass das IOC Russland komplett von den Spielen in Rio ausschließt. Die Begründung liefert in ihren Augen der McLaren-Bericht. Sie sind wie der Sportrechtler Lehner der Meinung, "dass man nach dem McLaren-Bericht weiß, dass die Leichtathleten nur ein kleiner Teil des Problems in Russland sind".

Wann entscheidet das IOC? Bach und seine Führungskollegen haben nach der Veröffentlichung des McLaren-Berichts zunächst mal auf Zeit gespielt. Sie warteten den CAS-Spruch ab und kündigten eine eigene Entscheidung bis zum Dienstag nächster Woche an. Durchaus möglich ist, dass die Olympier sich am Wochenende eine Meinung bilden. Ihr Urteil wird für Sonntag oder Montag erwartet. Für Bach wird es auf jeden Fall unangenehm. Er muss es sich entweder mit den Russen verderben oder sich von den internationalen Verbänden Führungsschwäche vorhalten lassen.

(pet)
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