Niederlage bei Olympia Irischer Boxer pöbelt gegen Kampfrichter und Weltverband

Rio de Janeiro · Dem irischen Boxer Michael Conlan ist nach seinem Aus bei den Olympischen Spielen vor laufender Kamera der Kragen geplatzt. Conlan zog nach dem Urteilsspruch sein Trikot aus, ließ die Muskeln spielen, streckte beide Mittelfinger aus und weigerte sich, den Ring zu verlassen.

Olympia 2016: Boxer Michael Conlan zeigt Kampfrichtern doppelten Stinkefinger
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Irischer Boxer zeigt Kampfrichtern doppelten Stinkefinger

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Foto: ap, KS

"Sie sind Betrüger. Sie bezahlen jeden. Es ist mir scheißegal, dass ich im Fernsehen fluche", sagte der 24-Jährige und attackierte den Box-Weltverband AIBA. Die Verantwortlichen seien "betrügerische Bastarde. Ich werde nie wieder unter der AIBA boxen. Es ist bekannt, dass sie Betrüger sind. Sie werden immer Betrüger sein. Das Amateurboxen stinkt vom Kern bis zur Spitze."

Conlan hatte im Viertelfinale der Klasse bis 56 kg einstimmig nach Punkten gegen den Russen Wladimir Nikitin verloren. Die Entscheidung brachte den Bronze-Gewinner von London 2012 auf die Palme.

"Ich war im ersten Gang und habe ihm die Ohren abgeboxt. Habt ihr sein Gesicht gesehen? Er hatte überall Cuts", sagte Conlan über seinen Gegner. Tatsächlich sah Nikitin schwer gezeichnet aus und blutete stark. Für Conlan war klar, wer für seine Niederlage verantwortlich ist: "Die Punktrichter sind korrupt. So einfach ist das."

Für den Mann aus Belfast war die Sache klar: Der Sieg des Russen wurde bei den "korrupten Punktrichtern" gekauft. Von höchster Stelle? "Hey, Wlad", schrieb Conlan bei Twitter an den Account des russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin: "Was haben sie Dir berechnet, Bruder?"

Zudem kündigte er an, "nie wieder" unter AIBA-Regie zu boxen. "Es ist ein Trümmerhaufen. Mein Traum ist zerstört, ich bin in meinem tiefsten Herzen auch zerstört", sagte er in dem 90-sekündigen Interview. "Ich denke, das Boxen ist tot! Es geht nur darum, wer mehr Geld bezahlt. Wer den größten Einfluss hat, gewinnt."

Die AIBA reagierte im Angesicht weiterer Manipulationsvorwürfe beispielsweise aus dem US-Team kühl. "Meine Erfahrung ist: Wenn ein Boxer verliert, ist er niemals glücklich", sagte ein Sprecher lapidar. "Er sieht die Schuld dann niemals bei sich selbst, sondern immer nur bei der Organisation." Die Punkt- und Ringrichter seien gewissenhaft ausgewählt und geschult: "Grundlose Anschuldigungen können wir nicht akzeptieren."

Boxverband räumt Fehlurteile ein

Dennoch hatte die AIBA offenkundig ein schlechtes Gewissen. Am Mittwoch räumte sie indirekt Fehlurteile ein. Eine Überprüfung aller bis dahin ausgetragen 239 Kämpfe habe ergeben, dass "weniger als eine Handvoll der Entscheidungen nicht dem erwarteten Niveau" entsprochen habe. Die betroffenen Ring- und Punktrichter würden für den Rest der Spiele nicht mehr eingesetzt, ihre Urteile aber selbstverständlich bestehen bleiben.

Es ist nicht das erste Mal in der Geschichte Olympscher Spiele, dass eine Punktentscheidung im Boxen kontrovers diskutiert wird. Die zwei Box-Legenden Roy Jones Jr. und Floyd Mayweather können beide ein Lied davon singen. Beide Ausnahme-Boxer verloren höchst umstritten bei Olympischen Spielen nach Punkten.

Jones Jr. unterlag 1988 im südkoreanischen Seoul dem Lokalmatador Si-Hun Park im Finale des Leicht-Mittelgewichts. 86 Treffer zählte die "New York Times" später, Park — der in Runde 2 sogar angezählt werden musste — traf den US-Amerikaner gerade mal 32 Mal. Doch der Südkoreaner wurde trotzdem bei seinem "Heimspiel" mit 3:2 Richterstimmen zum Sieger erklärt. Eine Farce, ein Skandal. Die Kampfrichter wurden anschließend suspendiert, das Wertungssystem verändert. Und Jones Jr. holte als Profi vier WM-Gürtel in vier verschiedenen Gewichtsklassen, doch der Olympiasieg blieb ihm verwehrt.

1996 in Atlanta wiederholte sich die Geschichte im Halbfinale. Der US-Amerikaner Mayweather, der in seiner anschließenden Profikarriere in 49 Kämpfen unbesiegt blieb, unterlag dem Bulgaren Serafim Todorow, obwohl er ihn drei Runden lang im Ring dominiert hatte.

(sid)
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