Schwarzhandel mit Eintrittskarten IOC-Exekutivmitglied Hickey in Rio verhaftet

Rio de Janeiro · Die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro werden von einem weiteren Skandal erschüttert: Der ranghohe IOC-Funktionär Patrick Hickey (Irland) ist am Rande der Spiele wegen des Verdachts auf Schwarzhandel mit Eintrittskarten verhaftet worden.

 Patrick Hickey (r.) soll in den Schwarzhandel mit Eintrittskarten verwickelt gewesen sein.

Patrick Hickey (r.) soll in den Schwarzhandel mit Eintrittskarten verwickelt gewesen sein.

Foto: afp

Die Sonderermittler der brasilianischen Polizei kamen im Morgengrauen, und Patrick Hickey versuchte vergeblich, vor ihnen zu fliehen. Mit der filmreifen Festnahme des hochrangigen IOC-Funktionärs am frühen Mittwochmorgen im Luxushotel Windsor Marapendi an der Atlantikküste im Stadtteil Barra haben die Olympischen Spiele von Rio de Janeiro ihren nächsten, riesigen Skandal.

Hickey, einer der mächtigsten Männer im Ringeorden, Mitglied des engsten Zirkels um Präsident Thomas Bach, wurde wegen des Verdachts auf Schwarzhandel mit Eintrittskarten und Bildung einer kriminellen Vereinigung verhaftet. Ein Fluchtversuch des Iren scheiterte offenbar.

Als die Beamten an seine Zimmertür klopften, soll Hickeys Frau geöffnet und angegeben haben, ihr Mann sei bereits abgereist. Hickey soll sich derweil in einem anderen Zimmer versteckt haben.

"Seine Frau hat gelogen. Sie hat sogar seinen Pass vor uns versteckt. Aber er war in einem Nebenzimmer und versuchte zu fliehen", sagte Aloysio Falcao, ein an der Polizeiaktion beteiligter Ermittler, dem Newsportal der Tageszeitung O Globo. Die Polizisten griffen den in einen weißen Bademantel gekleideten Hickey dennoch auf.

Die Beamten nahmen dessen Akkreditierung, Reisepass und Flugticket an sich. Der 71-Jährige wurde in einem Krankenwagen abtransportiert, eskortiert von Polizeiwagen. Weil ihm beim Verlesen des Haftbefehls unwohl geworden sei, habe man ihn aus Sicherheitsgründen in eine Klinik gefahren.

Im Zuge der Vorkommnisse legte Hickey noch am Mittwoch seine Ämter bis zur Klärung des Falls vorübergehend nieder. Das betreffe unter anderem das Amt des Präsidenten des Irischen Olympischen Komitees (OCI), das Amt des Präsidenten des Europäischen Olympischen Komitees (EOC) sowie seine IOC-Mitgliedschaft, teilte das OCI mit.

Das IOC gab am Nachmittag bekannt, dass es vom OCI über die Schritte Hickeys unterrichtet worden sei und diese respektiere. Bis zur Klärung der Sache gelte die Unschuldsvermutung. Eine Stellungnahme von Bach zur Sache wollte Sprecher Mark Adams nicht abgeben: "Herr Bach will auch erst Sicherheit über die Sachverhalte haben."

Die Bilder und Vorgänge vor dem Hotel, gefilmt von Kamerateams, weckten Erinnerungen an die Verhaftungen von Offiziellen des Fußball-Weltverbandes FIFA im Dezember 2015 in Zürich, die das Ende von Präsident Sepp Blatter einleiteten. Wie damals in Zürich spannten auch in Rio Hotelangestellte weiße Laken auf, um Aufnahmen von der Szenerie zu verhindern.

Hintergrund von Hickeys Verhaftung sind Unregelmäßigkeiten in Zusammenhang mit Ticketverkäufen über die irische Firma THG Sports, die vor vier Jahren in London noch offizieller Ticketpartner des Organisationskomitees der Spiele war. Beim Ticketskandal während der Fußball-WM vor zwei Jahren war bereits ein hochrangiger THG-Mitarbeiter festgenommen worden. Gegenstand der aktuellen Ermittlungen ist auch die Firma Pro 10, an der Hickeys Sohn beteiligt sein soll. Gegen drei weitere Mitglieder der Firma stellte die Polizei in Rio Haftbefehl.

Zuvor war bereits der irische THG-Geschäftsführer Kevin James Mallon in Rio inhaftiert worden. Begründung war eine "Beteiligung an einem System illegaler Ticketverkäufe zu Preisen weit über dem Wert". Wegen Unregelmäßigkeiten bei der Ticketverteilung über das Irische Olympische Komitee (OCI) hatte der irische Sportminister Shane Ross in Rio bereits das Gespräch mit dem OCI-Präsidenten gesucht - Pat Hickey. Am Mittwoch bezeichnete Ross die Vorgänge als "verstörend".

Der Skandal trifft das ohnehin angeschlagene IOC ins Mark. Zur Glaubwürdigkeitskrise und der weltweiten Kritik, der der Ringeorden seit der Verhängung zurückhaltender Maßnahmen gegen Russland infolge der Staatsdoping-Affäre ausgesetzt ist, gesellen sich nun die Ermittlungen gegen eines seiner mächtigsten Mitglieder. Wie bei der FIFA haben nun die Staatsanwälte das Sagen.

Hickey ist loyaler Gefolgsmann Bachs und gehört zu den alteingesessenen, dubiosen Strippenziehern im Weltsport. Mehr denn je ist er umstritten, seit er als EOC-Chef die Europaspiele gegen zahlreiche Widerstände eingeführt hat und die erste Ausgabe 2015 an Baku/Aserbaidschan vergab.

Der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew, der sein Land autokratisch führt und dem massive Menschenrechtsverstöße vorgeworfen werden, nutzte die Premiere der Veranstaltung für eine riesige Propaganda-Schau. Hickey, der über dubiose Geschäftsverbindungen kräftig an den Spielen mitkassiert haben soll, verlieh Alijew einen Orden für Verdienste um den Sport.

Seit 1995 ist Hickey Mitglied des IOC, seit 2012 sitzt er in dessen 15-köpfiger "Regierung". Er war Mitglied zahlloser Kommissionen, unter anderem der Koordinierungskommission der Rio-Spiele. Seit 1994 gehört er der Exekutive der einflussreichen Vereinigung der Nationalen Olympischen Komitees (ANOC) an, seit 2006 ist er deren Vizepräsident.

Im Vorfeld der Veröffentlichung des McLaren-Berichts zu Russlands Doping-Betrügereien verurteilte Hickey den Vorstoß mehrerer Anti-Doping-Organisationen scharf, russische Sportler von den Spielen ausschließen zu wollen, sollten sich die Vorwürfe erhärten. In der IOC-Exekutive gilt er als Unterstützer Russlands - auch, weil Sotschi 2019 die umstrittenen Europaspiele ausrichten soll.

(sid)
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