Guanabara-Bucht Rios verseuchtes Segelrevier

Rio de Janeiro · Die Guanabara-Bucht soll in Rio als malerische Kulisse für die Segelwettbewerbe dienen. Doch das Gewässer ist hochgradig vergiftet. Es wurden Milliarden für die Reinigung investiert. Passiert ist allerdings nicht viel.

Segel-Gewässer in Rio völlig verdreckt
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Segel-Gewässer in Rio völlig verdreckt

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Foto: afp, YC/ms

Es ist kein guter Ort für Leben. Der Weg zum Wasser ist verschlammt. Überall Müll. Plastik, Autoteile, Reifen, Ölkanister, tote Fische. Ein beißender Geruch liegt in der Luft. Veralúcia steht vor ihrem Haus nur ein paar Meter vom Ufer entfernt. Fenster und Türen sind mit dünnen Stofftüchern verhangen. Sie nutzt sie als Fliegengitter. So sollen Moskitos abgehalten werden, die in der Guanabara-Bucht nisten. Die Insekten übertragen Viren wie Dengue und Zika. Veralúcia, 56, lag schon mit Dengue-Fieber im Krankenhaus, ihre Tochter war mit dem tückischen Zika infiziert. "Das war hier einmal ein schöner Ort", sagt Veralúcia, "Es war ein Ort der Hoffnung. Das ist lange her. Ich habe die Hoffnung aufgegeben."

Wasser ist bakteriell verseucht

Die Olympischen Spiele sollen Rio de Janeiro von seinen schönsten Postkarten-Motiven zeigen. Einen Ort wie die Guanabara-Bucht sollte es eigentlich gar nicht mehr geben. Die Organisatoren hatten versprochen, die Bucht zu säubern. Doch die ist 380 Quadratkilometer groß und schmutzig. Das Problem ist nicht nur herumtreibender Müll. Viel schlimmer sind die Gefahren, die man nicht sehen kann. Das Wasser ist bakteriell verseucht. Der Boden ist voller Schwermetalle. Am Ufer brennen die Fackeln einer Raffinerie. Von einer stillgelegten Mülldeponie sickern Giftstoffe in den Boden. Mehr als zehn Millionen Menschen und Tausende Industrieanlagen leiten ihre Abwässer in die Bucht und in die dort mündenden Flüsse ein - ungefiltert.

Es gibt zwar in Rio Kläranlagen, doch große Teile der Stadt sind überhaupt nicht an das Kanalnetz der Stadt angeschlossen. Und so fließen nach Berechnungen der Heinrich-Böll-Stiftung jede Sekunde 18.000 Liter unbehandelter Abwässer in die Bucht. Dazu kommen noch 100 Tonnen Müll - täglich. Von Ökosystem kann schon lange keine Rede mehr sein. Die Regierung hatte zugesichert, noch vor den Spielen 80 Prozent des Gebietes zu säubern. Nur acht Prozent wären selbst mit größeren Anstrengungen komplett unrealistisch gewesen, zu groß ist das Gebiet, zu lange hat sich niemand in der Millionenmetropole dafür interessiert, was mit den Abfällen geschieht. Viele verdienen daran, dass die Bucht weiter schmutzig bleibt. Nach offiziellen Angaben sind bislang 2,7 Milliarden Euro zur Säuberung investiert worden, die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen, was mit den Geldern ganz konkret passiert ist.

In der Guanabara-Bucht ist das Revier der Segler bei den Spielen. Einige von ihnen haben bereits geklagt, sie hätten sich durch das Spritzwasser mit Bakterien infiziert. Der deutsche Laser-Segler Philipp Buhl hofft, "dass wir die kompletten Regatten segeln können und keiner gesundheitsbedingt aufgeben muss." Die größte Gefahr für die Hightech-Boote ist, dass sie durch herumtreibende Müllreste beschädigt werden. Noch gab es keine gravierenden Zwischenfälle bei den Wettkämpfen.

Ein schier aussichtsloser Kampf

Sérgio Ricardo ist Umweltaktivist in Rio. Seit 1985 lebt er in der Stadt, seitdem kämpft er gegen die Umweltsünden. Sein Engagement liegt in seinen Wurzeln begründet. Ricardo zählt zu den 120.000 Indigenen, den Ureinwohnern Brasiliens, in der Region. Der Name Guanabara kommt aus der indigenen Sprache. Er bedeutet "Meerbusen" - eine Anspielung auf die Form der Bucht. Ricardo kämpft gegen mächtige Gegner einen schier aussichtslosen Kampf. Er glaubt, alles könne gut werden. Irgendwann. Er sagt, die Bucht sei eigentlich ein guter Ort. Er will Hoffnung machen. Mit seiner Umweltgruppe unterstützt er Fischer, die neue Fischpopulationen züchten. Er meint, dass sei eine gute Idee. Die extrem hohe Belastung an Giften in dem Wasser hält er für kein allzu großes Problem. Tatsächlich ist es das aber. Rund um die Bucht sind überdurchschnittlich viele Bewohner an Krebs erkrankt.

Ricardo sagt, er sei nicht gegen die Olympischen Spiele. Er habe nichts gegen die Sportler, die nun in der Bucht um Medaillen kämpfen. "Sie trifft keine Schuld", sagt er. "Durch sie blickt die Welt auf unsere Probleme. Durch die Öffentlichkeit wird der Druck erhöht, dass die Bucht wieder zu einem Idyll wird." Ob sie jemals wieder zu einem sauberen Ort wird, ist allerdings fraglich.

(gic)
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