Lasche Kontrollen in vielen Ländern Der ungleiche Anti-Doping-Kampf

Düsseldorf · Während die Kontrollen in Deutschland als vorbildlich gelten, legen andere Länder den Wada-Code lockerer aus. Gerade in afrikanischen Ländern gelten die Kontrollsysteme als allenfalls rudimentär vorhanden.

 Delegationsleiter Michael Rotich wird in Kenia der Prozess gemacht.

Delegationsleiter Michael Rotich wird in Kenia der Prozess gemacht.

Foto: afp

Der Welt-Anti-Doping-Code von 2015 - er sollte die olympische Sportwelt wenigstens etwas gleicher machen. Die Nationalen Doping Agenturen (Nada) unterwerfen sich diesem Wada-Code, der das unrechtmäßige Vorteilsverschaffen unmöglich machen soll - also das Betrügen. Doch was ist dieses Dokument wert, wenn es nicht überall konsequent oder überhaupt nicht umgesetzt wird?

Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, hat eine klare Meinung dazu: "Leider müssen wir erkennen, dass es der Welt-Anti-Doping-Agentur bislang erkennbar nicht gelungen ist - und das sage ich ganz deutlich - den Wada-Code weltweit in die Praxis umzusetzen", sagt Hörmann der "Welt". "So lange das nicht der Fall ist, wird es die so elementare Chancengleichheit im Weltsport nicht geben. Das ist einfach nur fatal."

"Wada muss ihre Hausaufgaben machen"

Das Niveau der Doping-Kontrollen beispielsweise in Deutschland, Skandinavien oder Kanada müsse "endlich auch der Anspruch in anderen Ländern sein. Es gibt nur eine Institution, die diese Antidopingsysteme international ausrollen kann, und das ist eben die Wada. Die muss jetzt ihre Hausaufgaben machen oder sogar auf komplett neue Füße gestellt werden", fordert Hörmann. Unlängst hat das auch UN-Botschafter Willi Lemke im Gespräch mit unserer Redaktion bekräftigt: "Es gibt ein Ungleichgewicht auf der Welt. Es nützt nichts, wenn einige viel und andere gar nicht kontrolliert werden."

Vom Staat gelenktes Doping in Russland. Dieses Thema beherrscht die Spiele in Rio. Aber auch China und weitere, meist autokratisch geführte Länder stehen seit Jahren im Verdacht, ebenfalls nicht genug gegen Doping zu unternehmen - oder es sogar zu unterstützen. Die Ermittlungen sind mühsam.

Die deutsche Nada gilt in der Umsetzung der Wada-Richtlinien als strikt. Kugelstoß-Weltmeisterin Christina Schwanitz hat im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben 55 Dopingkontrollen über sich ergehen lassen müssen - bei Wettkämpfen und unangekündigt im Alltag. "Athleten aus anderen Ländern machen sich über unser hartes Kontrollsystem lustig", verriet Ringer-Weltmeister Frank Stäbler zuletzt.

Gerade in afrikanischen Ländern gelten die Kontrollsysteme im Gegensatz dazu als allenfalls rudimentär vorhanden. Kenia beispielsweise hat erst vor ein paar Tagen auf Drängen der Wada ein Anti-Doping-Gesetz erlassen. Daraufhin strich die Wada Kenia von der Liste der Länder, die den Wada-Code nicht erfüllen. Unrühmliche Schlagzeilen produziert Kenia weiterhin. Allen voran Delegationsleiter Michael Rotich. In einem von der ARD in Kooperation mit der "Sunday Times" entstandenden Film mit versteckter Kamera sagt Rotich, dass er zwölf Stunden vorher wisse, wann Dopingkontrollen stattfinden würden. Auf die Frage, ob er dieses Wissen für drei Monate für eine Pauschale von 9000 Pfund weitergeben würde, antwortet er: "Sagen wir 10.000." Rotich wurde aus Rio abgezogen, bei seiner Rückkehr in Nairobi verhaftet. Der Fall unterstreicht, dass es noch viele Kriminelle gibt.

Der merkwürdige Fall John Anzrah

Merkwürdig mutet auch der Fall John Anzrah an. Der kenianische Trainer stand im Verdacht, in Rio für seinen 800-Meter-Läufer Ferguson Rotich eine Dopingprobe abgegeben zu haben. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) entlastete ihn. Anzrah sei mit der Akkreditierung des Athleten nur in die Mensa des Olympischen Dorfes gegangen, um zu frühstücken. Dabei sei er von Kontrolleuren zum Doping-Test gebeten worden. Mit seinem Personalausweis hätte er aber seine wahre Identität offenbart.

Auch Jamaika, Heimat zahlreicher Sprintstars, steht immer wieder im Fokus. Vor den Spielen 2012 in London soll es nur eine einzige Kontrolle bei den nationalen Meisterschaften gegeben haben. Jamaika wurde vom IOC ermahnt, verdoppelte anschließend die Zahl seiner Kontrolleure von vier auf acht. Usain Bolt steht dabei immer wieder im Fokus der Debatte. Von den zehn schnellsten Männern auf der Welt über 100 Meter haben neun eine Dopingvergangenheit. Einzig Rekordhalter Bolt konnte bislang nie etwas nachgewiesen werden.

Die deutsche Nada kritisiert, dass sich der Kontrollumfang nach den Wada-Richtlinien auch sehr stark individuell nach den relevanten Sportarten in einem Land ausrichtet. "Bezüglich der olympischen Sportarten vertreten wir aber den Standpunkt, dass hier weltweit einheitliche Standards angewandt werden müssen. Dies gilt sowohl für unangekündigte Trainingskontrollen als auch für Wettkampfkontrollen", teilte die Nada auf Anfrage unserer Redaktion mit.

(RP)
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