Olympia-Ausschluss CAS weist Einspruch der russischen Leichtathleten ab

Lausanne · Der Internationale Sportgerichtshof CAS hat den Olympia-Ausschluss der russischen Leichtathleten für rechtmäßig erklärt und heftige Reaktionen hervorgerufen. Nun ist das IOC am Zug.

Reaktionen zum Ausschluss der russischen Leichtathleten
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Foto: dpa, ko am nic

Ein Olympia-Ausschluss für alle Russen ist nach einer sporthistorischen Entscheidung ein weiteres Stück näher gerückt. Der Internationale Sportgerichtshof CAS hat die Verbannung der russischen Leichtathleten durch den Weltverband IAAF am Donnerstag für rechtmäßig erklärt und einen entsprechenden Einspruch von 68 Sportlern aus dem größten Land der Erde abgelehnt.

Nun sind das Internationale Olympische Komitee und Präsident Thomas Bach am Zug. Das Urteil der obersten Sportrechtsinstanz öffnet dem IOC 15 Tage vor den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro mehr denn je die Tür für die "härtesten Sanktionen gegen jede beteiligte Person oder Organisation", die Bach als Folge bereits angekündigt hatte. Am Donnerstag blieb das IOC, dessen mächtiges Exekutivkomitee am Sonntag wieder zusammenkommt, zurückhaltend und kommentierte das Urteil nicht inhaltlich. Eine Entscheidung soll spätestens Dienstag fallen.

Der CAS-Entscheid sorgte derweil für Wut und Bestürzung auf russischer Seite und viel Zustimmung nicht nur im Lager der Leichtathleten. Es sei "ein klares Signal an alle Beteiligten, dass hier die eindeutig definierten Grenzen inakzeptabel überschritten sind", sagte DOSB-Präsident Alfons Hörmann, nun herrsche "wertvolle Klarheit", an der sich andere Verbände orientieren könnten. Für das IOC sei die Grundlage geschaffen, um die von Bach angekündigten "härtesten Sanktionen gegen dieses Betrugssystem auszusprechen", sagte Hörmann und betonte: "Denn wer gegen die gemeinsamen Spielregeln von Fairplay verstößt, gehört auf die Strafbank."

Eine entscheidende Frage wird nun sein, ob das IOC ein eigenständiges Urteil gegen Russland fällt, oder es den in Rio startenden Verbänden überlässt, in der Kürze der Zeit Ausnahmeregelungen zu treffen und Startberechtigungen zu erteilen. Im McLaren-Report sind 22 olympische Sommersportarten erwähnt, bei denen es in Russland nachweislich Doping-Manipulationen gegeben hat, in 20 davon haben sich Russen für die Spiele in Rio qualifiziert.

"Ein ummissverständlicher Fingerzeig"

Die Sportausschussvorsitzende Dagmar Freitag hat dazu eine glasklare Meinung: "Das Urteil ist ein unmissverständlicher Fingerzeig für das IOC. Die Fakten liegen auf dem Tisch. Das IOC kann nicht mehr länger auf andauernde Entscheidungsfindungen Dritter verweisen." Der renommierte Sportrechtler Michael Lehner sagte: "Wenn das IOC jetzt den internationen Verbänden die Verantwortung für Aussiebung von russischen Athleten gibt, wäre das Feigheit vor dem Feind."

Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), sprach derweil von einem "historischen Tag" und verwies darauf, dass es ein vergleichbares Urteil noch nie gegeben habe. Es sei ein "wichtiger Schritt zur Rückgewinnung der Glaubwürdigkeit des Sports."

Auch die amerikanische Anti-Doping-Agentur USADA hat den Komplett-Ausschluss Russlands gefordert. "Es ist eine traurige Situation für alle, die den Sport lieben. Vor allem für die russischen Athleten, die für die Taten anderen bestraft werden, aber es ist die richtige Entscheidung", sagte USADA-Chef Travis Tygart, "wir hoffen, dass das IOC diese Entscheidung mitträgt."

Die vor dem Lausanner Schiedsgericht auf der ganzen Linie siegreiche IAAF betonte, mit der Entscheidung sei "Chancengleichheit geschaffen" worden. IAAF-Präsident Sebastian Coe meinte dennoch, dass "dies kein Tag für triumphale Statements" sei.

Fassungslosigkeit herrschte dagegen bei den Russen. "Ich kann nichts anderes ausdrücken als Bedauern", sagte der umstrittene Sportminister Witali Mutko, dem der McLaren-Report Mitwisserschaft am staatlich gestützten Dopingsystem unterstellt hatte: "Wir werden nun unsere nächsten Schritte beraten. Ich denke, die Entscheidung ist auch politisch motivitiert und hat keine rechtliche Grundlage."

Die Idee einer kollektiven Schuld sei nur schwer zu akzeptieren", meinte Dimitri Peskow, der Sprecher von Präsident Wladimir Putin. Die Abschiedszeremonie der russischen Olympia-Athleten, die am Freitag stattfinden sollte, ist auf unbestimmte Zeit verschoben worden.

Stabhochsprung-Star Jelena Issinbajewa sprach von einer "Beerdigung der Leichtathletik". Sie habe aber noch Hoffnung, dass das IOC dem Urteil nicht folgt: "Die maßgebliche Entscheidung wird von Thomas Bach kommen."

Nur Klischina und Stepanowa dürfen starten

Diese Hoffnung entbehrt allerdings jeglicher Grundlage. Das IOC hat die Entscheidung der IAAF vor einem Monat bereits grundsätzlich gestützt. Nach jetzigem Stand ist damit die Weitspringerin Darja Klischina die einzige russische Leichtathletin, die in Rio starten darf. Sie hat zuletzt außerhalb des russischen Dopingsystems in den USA trainiert und profitiert deshalb von einer Ausnahmegenehmigung der IAAF.

Dieselbe IAAF-Genehmigung hat auch Kronzeugin Julija Stepanowa erhalten, doch ihr Rio-Start ist noch ungewiss, da das russische NOK die "Landesverräterin" nicht für die Spiele nominiert hat. Die IOC-Exekutive hat den Fall an die hauseigene Ethikkommission weitergereicht - es ist nur eine weitere Entscheidung von riesigem sportpolitischem Ausmaß, die nun ansteht. Im Raum steht ein Rio-Start Stepanowas unter IOC-Flagge.

Fehlen wird am Zuckerhut dagegen nicht nur Issinbajewa, die ihre Karriere nun wohl beenden wird. Auch Hochsprung-Weltmeisterin Marija Kutschina oder Hürden-Weltmeister Sergej Schubenkow werden nicht dabei sein. Beide gehören auch zu den Athleten ohne bislang belegte Dopingvergangenheit, von denen es in der Bann-Liste der IAAF zahlreiche gibt. Für sie ist die Bestätigung der Sippenhaftung besonders bitter.

(areh/sid)
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