Auftaktsieg gegen Schweden "Bad Boys" bestehen den Stresstest

Rio de Janeiro · Zu wenig Wille, noch zu sehr Olympia-Touristen, außer Form – so einiges befand sich in der Wahrnehmung der Beteiligten zuletzt in Schieflage bei der Deutschen Handball-Nationalmannschaft. Umso gespannter wurde der Turnierstart gegen die Schweden erwartet. Und der gelang mit einem 32:29. Dank eines einmal mehr gut aufgelegten Torhüters Andreas Wolff und einer verbesserten Offensive. Vorne dabei mittendrin und äußerst treffsicher: Julius Kühn vom VfL Gummersbach.

Deutsche Handballer holen Auftaktsieg
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"Manchmal hat man so Tage, an denen es einfach läuft. Von mir aus könnte das immer so ein", sagte der 23-Jährige, der in Jugend lange Jahre für den TV Aldekerk gespielt hatte, hinterher mit breitem Grinsen. Sechs Würfe, sechs Treffer – mit seiner makellosen Bilanz trug Kühn aus dem linken Rückraum maßgeblich dazu bei, dass die Deutschen das Spiel nach holprigem Start bis zur Pause auf 18:15 stellen konnten. Am Ende standen sieben Treffer für ihn zu Buche. Ein sichtlich erleichterter DHB-Sportchef Bob Hanning bescheinigte Kühn dann auch "eine sehr starke Leistung. Er war sehr präsent und ist dahin gegangen, wo es weh tut."

Generell legten die Männer von Trainer Dagur Sigurdsson eine viel variablere Angriffsvorstellung als zuletzt aufs Feld in der Future-Arena, die nach den Spielen wieder zurückgebaut wird und aus deren Baumaterialen in Rio vier Schulen errichtet werden sollen. "Wir haben bis jetzt nicht so gut vorne gespielt, wie wir heute gespielt haben. Wir haben den Gegenstoß wiedergefunden", freute sich Hanning, während Kühn indes von der großen Welle, die das Team durchs Turnier tragen soll, noch nichts wissen wollte. "Das war jetzt zumindest mal ein guter Start ins Turnier", sagte er.

Doch trotz aller Verbesserungen im Spiel blieb die Partie des Europameisters gegen den EM-Achten bis zum Schluss spannend. Die Skandinavier, die Rückraum-Supertalent Lukas Nilsson bereits nach wenigen Minuten mit einer Knöchelverletzung und Abwehrchef Tobias Karlsson früh in Hälfte mit Roter Karte verloren, kamen durch zwei verwandelte Siebenmeter zum 25:25, während die Deutschen in dieser Phase mehrfach am Block hängen blieben. Ungewöhnlich viele Zeitstrafen brachten den Spielfluss fast zum Erliegen, und das schadete vor allem den Deutschen. Doch die "Bad Boys" kamen zurück und freuten sich hinterher über den bestandenen Stresstest.

"Da hat sich wieder mal unsere Breite im Kader bewährt", sagte Kühn. Es ist ein Kader, in dem bis Sonntag niemand über die Erfahrung eines Spiels bei Olympischen Spielen verfügt hatte. Insofern sei dieser Sieg "einfach eine riesengroße Erleichterung", befand Hanning. Also alles doch nicht so schlimm und schlecht im Nationalteam, wie vorher geunkt? Vielleicht alles auch ein bisschen kontrolliertes Tiefstapeln, um die Öffentlichkeit darin zu bremsen, aus dem überraschenden EM-Titel in Polen Ende Januar nun eine deutsche Mit-Favoritenrolle für Rio abzuleiten?

"Vielleicht erfüllen wir ja auch einfach das Klischee, das Deutschland immer eine Turniermannschaft ist", sagte Kühn. Den Abend haben die Auftaktsieger von Rio frei, indes nicht als Belohnung, sondern weil sie sich Karten für die verschiedensten Wettbewerbe besorgt hatten. "Wir werden losen, wer wo hingeht", sagte Hanning. Die Idee dabei: Die Jungs sollen den Kopf frei kriegen und so den Fokus auf den nächsten Gegner Polen (Dienstag, 16.30 Uhr, deutscher Zeit) um das Erlebnis als Olympia-Fan bereichern. Polen wird der nächste Prüfstein, da ist sich Kühn sicher, "denn sie können echt unangenehm sein, wenn sie Lust haben, Handball zu spielen."

(RP)
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