IOC reagiert geschockt auf Brief Auch die NADA fordert Russlands Komplett-Ausschluss

New York/Berlin · Vor Bekanntwerden des McLaren-Berichts am Montag ist zwischen den nationalen Anti-Doping-Agenturen, darunter die NADA aus Deutschland, und dem IOC ein heftiger Streit ausgebrochen.

Russischer Dopingsumpf: eine Chronologie
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Foto: dpa, mr nic sup gfh

Überraschende Attacke vor dem Showdown: Mindestens zehn nationale Anti-Doping-Agenturen - darunter auch die NADA aus Deutschland - fordern vor der Veröffentlichung des McLaren-Berichts am Montag (15 Uhr/MEZ) in einer gemeinsamen Aktion den Ausschluss Russlands von den Spielen in Rio (5. bis 21. August), falls sich die schweren Doping-Vorwürfe von Sotschi 2014 bestätigen. Das IOC und Russland toben.

"Ja, das stimmt. Wir werden den Brief unterzeichnen", sagte NADA-Vorstand Lars Mortsiefer am Sonntag dem SID. "Das sind wir den sauberen Sportlern schuldig. Wenn man wie wir 24 Stunden am Tag gegen Doping kämpft, kann man nicht anders handeln", machte Mortsiefer klar. Der Brief mit der Ausschluss-Forderung soll direkt nach Bekanntgabe des Reports an das IOC verschickt werden. Auch rund 20 Athletenverbände haben sich angeschlossen.

Travis Tygart, Chef der US-Anti-Doping-Agentur USADA, und sein kanadischer Amtskollege Paul Melia hatten das Schreiben initiiert. Tygart fordert darin das IOC auf, "noch vor dem 26. Juli zu handeln und Russland, sein Olympisches und Paralympisches Komitee sowie sämtliche russische Sportverbände von den Spielen in Rio auszuschließen."

Kopfschütteln beim IOC und in Russland

Der Brief löste beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) großes Unverständnis aus. "Ich bin geschockt und betroffen", sagte Patrick Hickey, Mitglied des Exekutiv-Boards des IOC. Der Ire, auch Präsident der Europäischen Olympischen Komitees (EOC), meinte: "Solche Störungen vor der Veröffentlichung des Berichts sind total gegen international übliche Verfahren und untergraben die Integrität und Glaubwürdigkeit des Reports."

Auch die russischen Verantwortlichen reagierten mit Kopfschütteln. "Ich denke, es ist eigenartig, dass Leute so einen Brief schreiben", sagte Natalia Schelanowa, Beraterin des russischen Sportministers Witali Mutko: "Wie können diese Leute zu solchen Erkenntnissen kommen, ohne dass der Report veröffentlicht wurde. Es soll wohl Druck ausgeübt werden."

Mortsiefer wollte dem gar nicht widersprechen. "Natürlich wollen wir auch den Druck erhöhen. Doch wir sagen ja auch, dass wir den Ausschluss nur dann wollen, wenn sich die schlimmen Vorwürfe bestätigen."

Tygart und auch die NADA kennen laut eigener Aussage den McLaren-Bericht nicht. Doch die Hinweise verdichten sich, dass die schweren Doping-Vorwürfe gegen Russland offenbar bestätigt werden. Whistleblower Gregori Rodtschenkow hatte erklärt, dass während der Winterspiele am Schwarzen Meer Doping-Proben mit Hilfe des russischen Geheimdienstes manipuliert wurden. Dutzende von russischen Sportlern seien gedopt an den Start gegangen - darunter 15 Medaillengewinner.

Das IOC muss in den kommenden Tagen nun entscheiden, welche Strafen der McLaren-Bericht in Bezug auf Olympia fordert. Bach hatte angekündigt, entsprechende Maßnahmen mit den betroffenen Wintersport-Verbänden einleiten zu wollen und würde damit zunächst Konsequenzen für die Spiele in Rio vermeiden. Bislang sind die russischen Leichtathleten wegen früherer Doping-Delikte durch ihren Weltverband IAAF für Rio gesperrt.

Doch offenbar kann sich Bach nicht mehr vor Sanktionen über den Wintersport hinaus drücken. Nach Informationen der ARD soll Chef-Ermittler Richard McLaren auch bei etlichen Sommersportarten Belege für Doping und Vertuschung gefunden haben. Das gelte vor allem für Ausdauer- und Kraftsportarten mit vielen Einzeldisziplinen wie Kanu und Schwimmen. Sollte das tatsächlich der Fall sein, dürfte es für Russland schwer werden, noch einen Weg nach Rio zu finden.

(sid)
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