Kolumne Gegenpressing Lieber Olympia als Fußball-EM 2024

Für die Sportkultur in Deutschland wäre es gut, wenn die Spiele nach Hamburg kämen. Denn auch wenn es vielleicht ein bisschen naiv klingt: Olympia ist mehr als ein kaltes Geschäft.

 RP-Redakteur Martin Beils.

RP-Redakteur Martin Beils.

Foto: Phil Ninh

Es ist zuletzt einiges an Gewissheiten rund um den großen Sport zu Bruch gegangen. Die vom WM-Beschaffen durch Lächeln und Händeschütteln vor allem. In dem Zusammenhang ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass Deutschland Gastgeber der Fußball-Europameisterschaft 2024 wird, vom Status "So sicher wie das Amen in der Kirche" auf ein mittelmäßiges "Kann sein" gesunken. Es gibt ja schon erste Stimmen, denen zufolge der DFB erst einmal den arg in Unordnung geratenen eigenen Laden in Ordnung bringen soll, bevor er sich wieder als Gastgeber versucht. 2018 fällt die Entscheidung über den Gastgeber sechs Jahre später.

Lieber Olympische Spiele als Fußball-EM 2024
Foto: DPA, gmp, B�ro G�rtner und Chris

Die Krise des Fußballs ist die Chance für Olympia in Deutschland. Denn nicht Paris, der am höchsten gewettete Anwärter auf die Sommerspiele 2024, ist Hamburgs größter Gegner, sondern der DFB als Konkurrent im eigenen Land. Denn EM und Olympia in einem Sommer in einem Land - das ist zwar eine schöne Fiktion der Sportpolitiker, aber eben auch nicht mehr. Warum sollten Europa und die Welt Deutschland zweimal praktisch gleichzeitig beglücken? Warum sollte sich Deutschland viereinhalb Wochen EM plus dreieinhalb Wochen Olympische Spiele/Paralympics aufbürden? Denn bei aller Sympathie für den Sport: Es soll ja auch ein paar Leute geben, die sich dafür gar nicht interessieren.

Es wäre schöner, besser und vernünftiger, wenn Deutschland mehr als ein halbes Jahrhundert nach München 1972 wieder die Spiele bekäme als ein Fußballturnier, das es schwer hätte, die Erwartungen nach dem sonnenüberströmten Sommermärchen von 2006 zu erfüllen.

Der Profifußball ist ein großes Geschäft, dem ohnehin schon viele Privilegien in Deutschland zugesprochen werden (etwa Landesbürgschaften für Stadien, Großeinsätze der Polizei). Manche sagen: zu viele. Der olympische Sport ist zwar auch ein Milliardengeschäft. Und an Halunken mangelt es auch in diesem Bereich der globalen Unterhaltungsindustrie nicht, wie nicht zuletzt die massive Dopingproblematik in der Leichtathletik mal wieder zeigt.

Doch - es mag naiv klingen und gern auch ein bisschen naiv sein - die olympische Idee, die die Spiele seit 1896 auch viele Krisen hat überstehen lassen, ist eine, die uns gerade jetzt guttut. Internationalität und Demokratie sind grundlegende Prinzipien im Gedankengebäude von Pierre de Coubertin. Es gilt, sie zu pflegen - auch, oder gerade, weil sie im Laufe der Jahrzehnte oftmals verraten worden sind.

Für die Sportlandschaft in Deutschland wären Olympische Spiele besser als eine Fußball-EM. Sie wären ein Zeichen gegen die Monokultur, für die der Fußball spätestens seit 2006 bei Kinder und Jugendlichen gesorgt hat. Der olympische Sport ist bunt. Er pflegt Traditionen und bringt ganz unterschiedliche Talente zur Geltung.

Und Olympia hat eine kleine Schwester, die ständig an Stärke zulegt. 2012 in London hat der Behindertensport bei den Paralympics eine faszinierende Leistungsschau geliefert und damit nachhaltig Zeichen über die Grenzen der Sportplätze hinaus gesetzt. Vergleichbares hat eine EM nicht zu bieten.

Doch wer soll das bezahlen? Auf sieben Milliarden werden die olympischen Kosten für den Steuerzahler beziffert. Und die Erfahrung lehrt, dass diese Summe noch steigen wird. Ja, das ist ein Problem. Und ja, es gibt gute Gründe, die Milliarden anderweitig einzusetzen. Doch Olympia setzt Zeichen des Optimismus und der Lebensfreude. Das weiß jeder, der mal dabei gewesen ist.

Ihre Meinung? Schreiben Sie dem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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