Olympia-Tagebuch Rio ist größer als man denkt

Rio de Janeiro · Kein Wlan im Hotelzimmer, dafür in Bussen. Um die teils anderthalb Stunden Anfahrt zwischen den Olympia-Standorten zu überbrücken fehlt eigentlich nur noch eine Küche.

Olympia 2016: Die Wettkampfstätten in Rio de Janeiro
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Die Wettkampfstätten von Rio

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Foto: dpa, mr nic wok nic

Die Öffentlichkeit und ich natürlich mit ihr sind einem großen Irrtum aufgesessen. Dem, dass die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro stattfinden, sprich in einer Stadt, an einem Ort. Doch das stimmt so nicht, stelle ich hier jeden Tag aufs Neue fest. Es sind vier Städte, die die Spiele ausrichten: Copacabana, Deodoro, Barra und Maracana. Das mögen Stadtteile des großen Ganzen sein, das sie Rio nennen, aber ich hege langsam aber sicher den Verdacht, dass die Brasilianer damals erst wenige Tage vor Abgabe der Bewerbungsunterlagen alles, was grob 50 Kilometer rund um den Zuckerhut liegt, künstlich zu dem zusammengefasst haben, was sie der Welt dann als historisch gewachsenes Rio verkauft haben. Das ist so, als wenn Hannelore Kraft die Idee hätte, Olympia an den Rhein zu holen, und dem IOC erzählt, Köln, Düsseldorf, Leverkusen und Neuss seien eine Stadt. Schon immer gewesen. Ehrenwort.

Wer also hier in diesem – nennen wir es der Einfachheit halber weiter – "Rio" zwischen den vier Olympia-Standorten pendeln will, der braucht vor allem zwei Dinge: einen Bus und Geduld. Ich fahre hier in Brasilien so viel Bus, wie ich es nicht einmal in den 90ern getan habe, als ich als Schüler mit der Linie 36 zwischen Sonsbeck und Xanten gependelt bin. Nur, dass das damals eben eine Strecke von acht Kilometern war, und hier gleich mal 40.

Um also dem Reflex vieler gleich die Grundlage zu rauben ("Echt, du bist in Rio? Schön Caipirinha am Strand und so?"), sei gesagt: Nein, ich liege nicht am Strand, ich sitze vor allem in Bussen. Stundenlang. Jeden Tag. In modernen Bussen, immerhin. In Bussen nur für uns Journalisten. Ein Luxus. Die haben sogar WLan. Ob das die Linie 36 heute auch hat? Ich denke nicht. In den Bussen sind es allerdings gefühlte drei Grad, weil die Klimaanlage offenbar auf maximale Leistung unverstellbar voreingestellt ist, und es läuft brasilianisches Fernsehen, das, so mein Eindruck, tagsüber nur aus einer Endlosschleife von Bärbel Schäfer, Ilona Christen und Hans Meiser besteht, also aus den örtlichen Varianten, auf jeden Fall mit schönen Menschen und vielen Tränen. Worum es geht, verstehe ich ja nicht. Am schönsten ist es immer, wenn der Bus durch einen Tunnel fährt. Dann fällt das TV-Signal aus.

Manchmal fährt ein Bus, der 20 Minuten brauchen soll, übrigens auch schon mal anderthalb Stunden. In solchen 90 Minuten habe ich mir überlegt, ich werde dem IOC einfach vorschlagen, alle Busse auch noch mit Dusche und Kochplatte auszustatten. Dann ziehe ich nämlich für den Rest der Spiele aus dem Hotel in den Bus.

(RP)
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