Olympia 2016 Experte bringt Staatsdoping in Brasilien ins Spiel

Rio de Janeiro · Auf die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro fällt der nächste Doping-Schatten – und ausgerechnet die Gastgeber sind dafür verantwortlich.

 Fritz Sörgel.

Fritz Sörgel.

Foto: dpa, dka jhe nic

Auf die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro fällt der nächste Doping-Schatten — und ausgerechnet die Gastgeber sind dafür verantwortlich.

Wie die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) der britischen Times bestätigte, hat Brasilien im Vorfeld der Spiele bei "führenden Athleten" keine Dopingtests mehr vorgenommen - und zwar auch auf Druck staatlicher Stellen. Die Wada spricht von "inakzeptablen" Zuständen, der deutsche Doping-Experte Fritz Sörgel hält Staatsdoping wie in Russland für möglich.

"Das ist ein Skandal. Es ist natürlich wieder mal kennzeichnend. Es zeigt, wie getrickst wird", sagte Sörgel dem SID. "Nach den schlechten Erfahrungen mit Russland muss man fragen: Gibt es in Brasilien auch Staatsdoping? Oder es war eine Chance, sich über etwas längere Zeit zu entdopen, um einen Skandal vor Olympia zu vermeiden", sagte Sörgel.

Die Nationale Anti Doping Agentur (Nada) forderte eine genaue Untersuchung. "Die Wada muss die Vorgänge in Brasilien prüfen. Wenn sich bewahrheitet, dass brasilianische Olympia-Teilnehmer vor den Spielen nicht kontrolliert wurden, muss dies entsprechende Konsequenzen haben", sagte die Nada-Vorstandsvorsitzende Andrea Gotzmann.

Die Trainingsphase vor wichtigen Wettkämpfen sei "der wichtigste Zeitraum" für Kontrollen, so Gotzmann: "In Deutschland wurden daher alle Athleten, die möglicherweise nach Rio fahren, bereits Monate im Voraus in das Olympia-Testprogramm aufgenommen und fokussiert kontrolliert." Dies sei auch noch in den letzten Tagen vor den Spielen geschehen.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) sah keinen Grund zur Sorge. Man vertraue dem internationalen Dopingprogramm der Welt-Verbände, das vor den Olympischen Spielen in Brasilien unabhängig von den Maßnahmen der nationalen Dopingbekämpfung aufgelegt worden sei, hieß es.

Die WADA will am 1. Juli von Luis Horta, einem leitenden Angestellten der brasilianischen Anti-Doping-Agentur, davon unterrichtet worden sein, dass das Sportministerium des Landes bei einigen Top-Athleten unangemeldete Kontrollen gestoppt habe. Auch das nationale Olympische Komitee Brasiliens habe dahingehend Druck ausgeübt, berichtete Horta.

Das Ministerium gab zu, dass zwischen dem 1. und 24. Juli keine Tests vorgenommen worden seien, leugnete jedoch jegliches Fehlverhalten und Einflussnahme von politischer Seite. Demnach hätten keine Tests mehr gemacht werden können, seit die Wada dem Anti-Dopinglabor in Rio am 22. Juni die Akkreditierung entzogen habe. Horta sprach von einem Zeitraum von 45 Tagen vor den Spielen ohne Tests. Ziel seien so viele Medaillen wie möglich gewesen - "egal, ob sauber oder nicht".

Rob Koehler, stellvertretender Wada-Chef, sagte der Times, die Behörde habe "dem Sportministerium und dem Chef der brasilianischen Anti-Doping-Agentur einen Brief geschrieben, in dem wir unserer Beunruhigung Ausdruck verliehen und verlangt haben zu erfahren, warum die Tests eingestellt wurden". Die Antwort auf das Schreiben sei jedoch "nicht befriedigend" ausgefallen, führte Koehler weiter aus: "Die Erklärung, dass es wegen personeller Wechsel beim Ministerium und der Agentur so gekommen sei, war für uns inakzeptabel."

Professor Horta arbeitete einst als Chef der nationalen portugiesischen Anti-Doping-Agentur. Im Vorfeld der Rio-Spiele sollte er brasilianische Dopingjäger mit finanzieller Hilfe der Unesco in ihrem Kampf unterstützen. Er sollte dort Trainingskontrollen bei 287 Top-Athleten organisieren, gab sein Amt aufgrund der genannten Vorfälle jedoch kürzlich auf. Insgesamt schickt Brasilien 465 Sportler in seine Heimspiele.

Laut Horta kam es bereits im Juni zu ersten Problemen. "Das Sportministerium und das Olympische Komitee setzten uns unter Druck und meinten, dass wir zu viele Kontrollen vornehmen und die Athleten so in ihrem Training stören würden", sagte er. In der Regel seien je Sportler drei Tests im Jahr vorgenommen worden, bei den Spitzenathleten im vergangenen Jahr bis zu sechs. Die Behörden hätten sich außerdem darüber beschwert, dass Horta und Kollegen das Meldesystem zu strikt auslegten.

(sid)
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