Tennis Williams raus – Weg für Kerber zu Gold ist frei

Rio de Janeiro · Angelique Kerber und Laura Siegemund haben es bei Olympia Steffi Graf und Anke Huber nachgemacht und kämpfen um den Einzug in die Runde der letzten vier. Durch das überraschende Aus von Serena Williams ist der Weg für Kerber zum Olympia-Gold nun frei.

Olympia 2016: Angelique Kerber zieht ins Viertelfinale ein
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Kerber zieht ins Viertelfinale ein

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So gut waren die deutschen Tennis-Damen bei Olympia seit 24 Jahren nicht mehr. Wimbledon-Finalistin Angelique Kerber und Spätstarterin Laura Siegemund kämpfen nach Zweisatz-Siegen im Achtelfinale an diesem Mittwoch in Rio um den Einzug in das Halbfinale. Erstmals seit 1992 mit Steffi Graf und Anke Huber mischen damit zwei deutsche Spielerinnen im Viertelfinale mit - die Sommerspiele in Barcelona endeten mit einer Silbermedaille für Tennis-Ikone Graf.

Vielleicht geht in Rio sogar noch mehr. "Ich bleibe sehr, sehr gerne bis zum Ende", sagte Bundestrainerin Barbara Rittner schmunzelnd. Denn die Weltranglisten-Zweite Kerber unterstrich mit einem über weite Strecken starken Auftritt am Dienstag ihre Ambitionen und warf die frühere US-Open-Siegerin Samantha Stosur mit 6:0, 7:5 aus dem Turnier. Nun will sich die Viertelfinalistin von 2012 auch nicht von Johanna Konta stoppen lassen. Gegen die Britin hatte die Kielerin auf ihrem Weg zum ersten Grand-Slam-Sieg im Januar bei den Australian Open im Halbfinale gewonnen.

Durch das sensationelle Achtelfinal-Aus von Williams am späten Dienstagabend sind die Chancen Kerbers auf die Goldmedaille auf einen Schlag gestiegen. Die Einzel-Siegerin von London 2012 unterlag Jelina Switolina (Nr. 15) mit 4:6, 3:6. Es war die erste Niederlage von Williams im fünften Duell mit der Ukrainerin, die von der früheren Nummer eins Justine Henin (Belgien) gecoacht wird.

Damit platzte für die 34-jährige Williams, zuletzt die Hauptkonkurrentin von Kerber, am Zuckerhut der Traum vom fünften Olympia-Gold seit 2000 in Sydney. Mit jeweils vier Triumphen (einer im Einzel/drei im Doppel) ist sie gemeinsam mit ihrer Schwester Venus der erfolgreichste Tennisprofi bei Olympischen Spielen. In Rio ist das Williams-Doppel bereits in der ersten Runde gescheitert.

"Ich bin natürlich enttäuscht, weil ich eines meiner großen Ziele nicht erreichen konnte", sagte Williams (USA) nach der Partie. Während die 22-malige Grand-Slam-Siegerin aus den USA von einer "vergebenen Chance" sprach, konnte Switolina ihr Glück kaum fassen. "Das fühlt sich unwirklich an. Ich habe bis zum Ende nicht geglaubt, dass ich gewinne", sagte die 21-Jährige und schwärmte: "Olympia ist für mich das Größte."

Williams befindet sich in bester Gesellschaft: Auch der topgesetzte Novak Djokovic (Serbien) war frühzeitig gescheitert. Den Becker-Schützling hatte es bereits in der ersten Runde erwischt, als er Juan Martin del Potro (Argentinien) in zwei Sätzen unterlag.

Die 22-malige Grand-Slam-Siegerin Williams offenbarte wie bereits am Vortag beim Sieg gegen die Französin Alize Cornet (7:6, 6:2) Schwächen in ihren Grundlinienschlägen. Zudem kam der Aufschlag nicht wie gewohnt. Die Amerikanerin hatte erst Anfang Juli das Finale von Wimbledon gegen Kerber gewonnen, nachdem sie die vorangegangenen zwei Major-Endspiele in Melbourne (gegen Kerber) und Paris (gegen Garbine Muguruza) verlor.

Die Weltranglisten-20. Switolina (21) ließ auch nach dem Gewinn des ersten Satzes nicht locker und nahm Williams den Aufschlag zur eigenen 3:1-Führung ab. Bezeichnend, dass der siebenmaligen Wimbledonsiegerin beim Stand von 3:3 fünf Doppelfehler in einem Spiel unterliefen.

Die Fans auf dem 10.000 Zuschauern fassenden Centre Court im Olympia-Park witterten die Überraschung, aber unterstützten Williams nach Kräften – vergeblich.

"Ist noch ein langer Weg"

Kerber hatte in ihrem Achtelfinale gegen die Australierin Stosur zunächst keinerlei Probleme. 32 Minuten benötigte sie für den souverän gewonnen ersten Satz. Im zweiten Durchgang wurde es etwas spannender. Nach einem Break zum 4:2 vergab Kerber wenig später ihren Matchball mit einem Doppelfehler. Stosur gelang daraufhin das Rebreak zum 5:5. Kerber ließ sich nicht beirren, nahm der Australierin postwendend den Aufschlag wieder ab. Sie bejubelte ihr Break zum 6:5 mit einem "Komm jetzt". Wenig später machte sie dann alles klar.

"Ich hoffe, dass ich noch einige Matches spielen kann", sagte Kerber und stellte fest: "Aber für mich ist es weiterhin noch ein langer Weg."

Mit dem 6:4, 6:3 über die Belgierin Kirsten Flipkens zog Siegemund ins Viertelfinale ein und bekommt es nun mit Monica Puig aus Puerto Rico zu tun. "Für mich ist das jetzt schon eine Riesenleistung. Ich habe bestätigt, dass ich hier sein darf. Das, was kommt, ist Sahnehäubchen", sagte die Metzingerin.

Noch zwei Siege fehlen den beiden verbliebenen deutschen Teilnehmern, damit sie wie zuletzt Tommy Haas 2000 mit Silber eine Einzelmedaille feiern können. Auch Siegemund ist bei ihrer Olympia-Premiere eine Überraschung zuzutrauen. "Ich glaube, dass sie so einen Schwung mitbringt, dass sie jeden schlagen kann", sagte Bundestrainerin Barbara Rittner. "Es ist beeindruckend, wie sie sich präsentiert."

In der Runde der besten Acht wird Siegemund vermutlich all ihre Energie benötigen. Als Weltranglisten-32. steht die Taktikerin zwei Plätze besser da als Puig. Gespielt hat sie noch nie gegen ihre nächste Kontrahentin, die überraschend die French-Open-Siegerin Garbiñe Muguruza abfertigte.

Trotz allem Ehrgeiz will Siegemund Olympia vor allem genießen. Sie versucht, einen Tick entspannter zu sein - und hat damit Erfolg. Das ist jedoch nicht einfach für eine Perfektionistin wie sie. "Aber ich habe gelernt, manchmal auch locker zu lassen. Dann kommt viel mehr positive Energie vom Kopf", sagte die Spätstarterin.

(dpa)
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