Einzelzeitfahren in Rio Tony Martin ist nur Nebendarsteller

Rio De Janeiro · Vor vier Jahren bei den Spielen in London hatte der Cottbuser Radprofi Tony Martin noch Silber im Zeitfahren geholt. In Rio reichte es nur zu Platz zwölf – für den früheren Weltmeister ein Debakel.

 Tony Martin hat im Einzelzeitfahren eine Medaille klar verpasst.

Tony Martin hat im Einzelzeitfahren eine Medaille klar verpasst.

Foto: ap, kt

Die Hoffnung auf eine Medaille war eh nur gering gewesen bei Tony Martin. Die Zeitfahrstrecke an der Küste im Westen Rios - einfach zu bergig, zu schwierig, um seine Qualitäten in Edelmetall ummünzen zu können. Und dann stand er nun nach 1:15,33 Stunden als Zwölfter im Zielbereich und musste verarbeiten, dass nicht nur sein Medaillentraum geplatzt war, sondern dass zudem im Schweizer Fabian Cancellara jemand Olympiasieger geworden war, der nun wahrlich ebenfalls nicht als ausgewiesener Kletterer bekannt ist. "Ich muss mich revidieren, der Kurs war schon für jeden geeignet. Das sieht man an Cancellara", knurrte Martin und rollte bedient im Nieselregen von dannen.

Cancellara, der 35-jährige, viermalige Zeitfahrweltmeister aus der Schweiz und Olympiasieger von Peking 2008, der am Ende der Saison seine Karriere beenden wird, hatte bei böigem Wind und Schauern mit einem Husarenritt über den 54,5 Kilometer langen Kurs dem großen Favoriten, Tour-de-France-Sieger Christopher Froome, ein Schnippchen geschlagen. Froome wurde am Ende nur Dritter, noch hinter dem Niederländer Tom Dumoulin.

Tony Martin hatte am Ende 3:18,33 Minuten Rückstand auf den Sieger. Indiskutabel für einen wie ihn, der mal das Maß aller Dinge im Zeitfahren war. Das fand der gebürtige Cottbuser durchaus auch selbst. "Das ist nicht das gewohnte Zeitfahrbild, das ich von mir kenne. Im Moment bin ich wahnsinnig enttäuscht", sagte der Silbermedaillengewinner von London 2012 in dieser Disziplin.

Es gab auf dem anspruchsvollen Rundkurs mit zwei zu bewältigenden Steigungen - über mehrere hundert Meter 16 bis 18 Prozent steil - nicht die eine Phase, an der sich Martins Rückstand hätte maßgeblich festmachen können. Schon bei der ersten Zeitmessung hatte er einen deutlichen Rückstand, und dieser wuchs bis ins Ziel kontinuierlich an. Der Traum von Bronze - er war für Martin schon ziemlich früh im Rennen ausgeträumt.

Was den Schlaks im Nachgang aber spürbar mehr störte als die Tatsache, auf dem bergigen Kurs letztlich eben doch wie befürchtet chancenlos gewesen zu sein, war ganz eindeutig der Sieg Fabian Cancellaras. Nicht, weil der Wahl-Schweizer Martin persönlich etwas gegen den richtigen Schweizer Cancellara hätte. Aber dessen Triumph war für Martin eben der personifizierte Beweis dafür, dass auch ein Rouleur wie er auf dieser Strecke hätte erfolgreich sein können. "Ich bin nicht in meinen Rhythmus gekommen. Ich werde das Rennen sehr genau analysieren müssen, um die Ursachen für das schwache Abschneiden zu finden und dann dort ansetzen", sagte Martin. So war im Vergleich mit der Testfahrt auf der Olympiastrecke teilweise neuer Asphalt verlegt worden, was natürlich vor allem den Nicht-Kletterern entgegenkam.

"Das war es noch nicht"

Die erste olympische Hoffnung, die auf Bronze, erfüllte sich für Martin also nicht. Die zweite geht nun schon vier Jahre voraus. 2020 bei den Spielen in Tokio ist er 35, und zum jetztgen Zeitpunkt hat er die kommenden Spiele noch fest im Blick. "Das war es noch nicht", sagte er in Pontal. Und in Bezug auf Tokio fügte er hinzu: "Ich hoffe, dass es dort nicht so viele Berge gibt."

Simon Geschke, der zweite deutsche Starter im Zeitfahren, wurde am Ende Dreizehnter, 16 Sekunden hinter Teamkollege Martin. Aber das war es nicht in erster Linie, was Geschke nach dem Rennen sagen ließ: "Für mich lief es eigentlich sehr gut." Der 30-Jährige aus Berlin war in der ersten Gruppe von 19 Fahrern Bestzeit gefahren, und weil die zweite Gruppe um die Favoriten erst eine Dreiviertelstunde später auf die Strecke geschickt wurde, durfte sich Geschke halt so lange auf dem Liegestuhl fläzen, der für den aktuell Führenden vorgesehen war.

Da saß er nun, checkte Nachrichten auf seinem Handy, aß ein paar Chips und trank aus einer Kokosnuss. "Das war eigentlich sehr schön. Es war das erste Mal, dass ich auf dem ,heißen Stuhl' saß, und das bei Olympia", sagte Geschke und musste grinsen. "Meine Wettkämpfe sind ja nun vorbei, jetzt kann ich noch ein wenig Rio genießen, an den Strand gehen und hinauf zur Christusstatue. Und dann will ich mir unbedingt den Bahnvierer angucken", sagte er.

Den heute mit ihren Wettkämpfen beginnenden Bahnradfahrern wird nicht nur Geschke persönlich die Daumen drücken, der gesamte Bund Deutscher Radfahrer (BDR) legt nun alle Hoffnungen auf Medaillen in ihre Beine. In London hatte der BDR mit sechs Medaillen einen der erfolgreichsten Sportverbände innerhalb des DOSB gestellt, in Judith Arndt und Tony Martin zweimal Silber im Zeitfahren geholt. Diese Gesamtbilanz zu wiederholen, wird in Rio schwer.

"Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir zwischen sechs und neun Medaillen gewinnen können", hatte BDR-Sportdirektor Patrick Moster dabei im Vorfeld der Spiele noch gesagt. Ihn selbst ereilte dieser Tage dann zu allem Überfluss auch noch das Pech, dass sein Auto abgeschleppt wurde, während er in einer Teambesprechung war. Es läuft eben bislang alles ein bisschen suboptimal für die deutschen Radfahrer. Aber damit sind sie ja innerhalb der Olympiamannschaft wahrlich nicht allein.

(klü)
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